Die umfangreichen Anforderungen an die Festsetzung und Auszahlung der variablen Erfolgsvergütung für die Risk Taker stellen eine zentrale Stoßrichtung in der Vergütungsregulierung dar. Die Umsetzung erfordert komplexe Vergütungslösungen und verursacht für die Institute nennenswerte Costs of Compliance. Die kritische Sicht vieler Vergütungsentscheider erscheint grundsätzlich berichtigt.
Übersehen wird dabei aber häufig, dass der mit Abstand größte Teil der Branche gar nicht unter den Anwendungsbereich fällt oder auf Grund von Erleichterungen verschont bleibt: Nur etwa 6% der Kreditinstitute in Deutschland sind von den Vorschriften zur Risk Taker-Vergütung betroffen. Und auch hier fallen üblicherweise nur 2 bis 5% der Mitarbeitenden unter den Anwendungsbereich der strengen Vergütungsvorschriften. Selbst von dieser eingegrenzten Personengruppe bleibt in der Praxis auch noch der Großteil von den besonderen risikoadjustierten Auszahlungsbedingungen für die variable Vergütung verschont.
compgovernance hat im Rahmen einer aktuellen Studie die Umsetzungspraxis in der Risk Taker-Vergütung für das Jahr 2024 analysiert.
Diverse Ausnahmen und Erleichterungen für Institute
Die große Mehrheit der nicht-bedeutenden Kreditinstitute muss lediglich ihre Risk Taker bestimmen (§ 25a Abs. 5b KWG). Nur bedeutende Kreditinstitute müssen zusätzlich auch die besonderen Anforderungen an die Festsetzung und Auszahlung der variablen Vergütung anwenden (§ 1 Abs. 3 Satz 1 InstitutsVergV). Betroffen sind im Wesentlichen große Institute, deren Bilanzsumme 15 Mrd. Euro und mehr beträgt (§ 1 Abs. 3c KWG). Kleinere Institute kommen nur im Einzelfall dazu, wenn sie von der nationalen Aufsicht im Hinblick auf ihre besondere Beschaffenheit als potentiell systemrelevant eingestuft werden (§ 12 KWG).
In einer aktuellen Studie hat compgovernance die Umsetzungspraxis in der Risk Taker-Vergütung analysiert. Danach waren im Jahr 2024 in Deutschland nur etwa 6% der insgesamt 1.370 Kreditinstitute als bedeutend eingestuft. Damit ist nur ein geringer Teil der Branche in vollem Umfang von den besonders komplexen Vergütungsanforderungen für Risk Taker betroffen.
Zwar müssen nach der Neuregelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 InstitutsVergV vom 20.09.2021 auch nicht-bedeutende Kreditinstitute die Risk Taker-Vergütungsanforderungen weitgehend anwenden, sofern sie im Einzelfall über eine Bilanzsumme zwischen 5 und 15 Mrd. Euro verfügen und zusätzliche Risikokriterien erfüllen (Handelsbuchtätigkeit, Derivatepositionen), doch scheint diese Regelung in der Praxis weitgehend ins Leere zu laufen.
Zusätzlich zu der Abschichtung der Anforderungen durch die Einstufungssystematik bestehen für verschiedene Sektoren der Finanzbranche Sonderregelungen und Erleichterungen: Leasing- und Factoring-Unternehmen sind von der InstitutsVergV insgesamt und damit auch von deren Risk Taker-Anforderungen ausgenommen (§ 1 Abs. 1 InstitutsVergV). Öffentlich-rechtliche Förderinstitute haben eine eigene Einstufungssystematik und sind erst ab einer Bilanzsumme von 70 Mrd. Euro bedeutend (Art. 2 Abs. 5 CRD i.V. § 2 Abs. 9i KWG). Damit sind mit Ausnahme der vier größten Förderinstitute alle weiteren ebenfalls von den Risk Taker-Anforderungen befreit. Das gleiche gilt für Institute, die ausschließlich Wertpapierdienstleistungen erbringen. Bis auf einzelne Ausnahmen (siehe Art. 2 Abs. 2 CRR) unterliegen solche Wertpapierinstitute einem eigenen Vergütungsregime und sind dort überwiegend von den besonderen Anforderungen an die Auszahlung der variablen Vergütung (Aufschiebung, Instrumente und Clawback) befreit.
Signifikante Risk Taker-Zahlen nur in Top Instituten
Selbst in den als bedeutend eingestuften Kreditinstituten fallen nicht alle Personen unter den Anwendungsbereich der besonderen Vergütungsanforderungen der §§ 18 bis 22 InstitutsVergV. Betroffen sind nur die, die in ihrem Institut auch als Risk Taker eingestuft sind. Dabei handelt es sich regelmäßig neben den Mitgliedern des Aufsichts- und Geschäftsleitungsgremiums um weitere Senior Manager und Experten, die auf der Grundlage der EU-einheitlichen Kriterien zu bestimmen sind (§ 25a Abs. 5b KWG i.V. Delegierte Verordnung (EU) 2021/923).
Nach der compgovernance-Studie zur Umsetzungspraxis in der Risk Taker-Vergütung haben die nach ihrer Bilanzsumme 30 größten in Deutschland ansässigen Kreditinstitute für 2024 insgesamt 7.605 Personen als Risk Taker eingestuft. Von diesen Risk Takern waren alleine zwei Drittel in den Top 10 Kreditinstituten tätig:
Top 10 Kreditinstitute – Anzahl Risk Taker 2023/2024 | |||
Rang | Institut/Gruppe | 2023 | 2024 |
1 | Deutsche Bank | 1.313 | 1.275 |
2 | DZ BANK | 527 | 520 |
3 | Commerzbank | 1.121 | 982 |
4 | KfW | 177 | 174 |
5 | J.P. Morgan SE | 344 | 374 |
6 | LBBW | 428 | 454 |
7 | BayernLB | 477 | 432 |
8 | Unicredit Bank | 295 | 257 |
9 | ING Deutschland | 168 | 179 |
10 | Helaba | 432 | 437 |
gesamt | 5.282 | 5.084 |
Quelle: compgovernance, Vergütungsberichte 2023/2024
Risk Taker-Quoten zum Teil hoch
Nach Erhebungen der European Banking Authority beträgt der Anteil der als Risk Taker eingestuften Personen in den Kreditinstituten der EU-27 durchschnittlich 1,7% (siehe EBA/Rep/2025/15).
Demgegenüber belegt die Studie zur Umsetzungspraxis in der Risk Taker-Vergütung von compgovernance, dass der Anteil der Risk Taker an der Gesamt-Belegschaft in deutschen Kreditinstituten typischerweise höher liegt. Die Bandbreite beträgt hier im Durchschnitt eher 2 bis 5%.
Top 10 Kreditinstitute – Risk Taker-Quote 2024 | ||
Rang | Institut/Gruppe | Risk Taker in % Gesamtbelegschaft |
1 | Deutsche Bank | 1,4 |
2 | DZ BANK | 2,8 |
3 | Commerzbank | 2,4 |
4 | KfW | 1,9 |
5 | J.P. Morgan SE | 5,6 |
6 | LBBW | 4,3 |
7 | BayernLB | 5,1 |
8 | Unicredit Bank | 2,1 |
9 | ING Deutschland | 2,0 |
10 | Helaba | 5,9 |
Quelle: compgovernance, Geschäfts- und Vergütungsberichte 2024
Dabei werden die Risk Taker-Mengengerüste in der Praxis nicht nur durch die Unternehmensgröße bestimmt. Auch Unterschiede in den Geschäfts- und Organisationsmodellen, im Risikoprofil und vor allem in der Risk Governance bestimmen die institutsbezogenen Risk Taker-Anzahlen.
Großteil der Risk Taker ohne Ex-post-Risikoadjustierung
Die in den bedeutenden Instituten identifizierten Risk Taker unterliegen immer den aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Erfolgsmessung für die Festsetzung der variablen Erfolgsvergütung (§§ 18 und 19 InstitutsVergV). In der Umsetzungspraxis finden hierfür fast immer Zielvereinbarungssysteme Anwendung.
Anders ist es bezüglich der komplexen inhaltlich-zeitlichen Anforderungen an die Ex-post-Risikoadjustierung im Rahmen der Auszahlung (§ 20 InstitutsVergV). Hier räumen die Aufseher eine Freigrenze für individuelle variable Vergütungen in Höhe von 50.000 Euro ein (Art. 94 Abs. 3 Buchstabe b CRD). Bei darunter liegenden variablen Vergütungen können die besonderen Auszahlungsbestimmungen (aufgeschobene Auszahlung, teilweise Gewährung in Instrumenten und Clawback) entfallen (§ 18 Abs. 1 InstitutsVergV).
Die EBA geht davon aus, dass in den in Deutschland ansässigen bedeutenden Kreditinstituten insgesamt 34% der Risk Taker durch die Ausnutzung der Freigrenzen-Regelung von den komplexen Auszahlungsanforderungen verschont bleiben (EBA/Rep/2025/15). Die institutsgenaue Analyse von compgovernance zur Umsetzungspraxis in der Risk Taker-Vergütung zeigt sogar einen noch höheren Anteil: Danach hat 2024 nur etwa jedes Dritte Kreditinstitute aus den Top 30 überhaupt (zumindest teilweise) variable Erfolgsvergütungen aufgeschoben an ihre Risk Taker ausgezahlt.
Ausgewählte Top 30 Kreditinstitute – Institute mit aufgeschobener Risk Taker-Auszahlung für 2024 | ||
Rang | Institut/Gruppe | Anteil Risk Taker mit Aufschiebung |
1 | Deutsche Bank | 95,1 |
2 | DZ BANK | 33,7 |
3 | Commerzbank | 61,3 |
5 | J.P. Morgan SE | 93,2 |
6 | LBBW | 39,8 |
9 | ING Deutschland | 45,3 |
14 | NORD/LB | 24,2 |
17 | DekaBank | 68,4 |
19 | Bausparkasse Schwäbisch Hall | 35,1 |
21 | UBS Europe | 79,2 |
29 | State Street Bank International | 55,3 |
Quelle: compgovernance, Offenlegungs- und Vergütungsberichte 2024
Jenseits der Top 30 Institute werden die variablen Risk Taker-Vergütungen sogar nahezu komplett sofort ausgezahlt – wie natürlich auch bei allen anderen nicht-bedeutenden Instituten.
Anzahl der High Earner steigt und steigt
Die als Risk Taker eingestuften Personen sind erfolgskritische Manager und Experten in ihren Instituten. Die damit verbundenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten korrelieren regelmäßig auch mit hohen individuellen Vergütungen. Im besonderen Fokus der Aufseher stehen von Beginn an die Risk Taker, die für das vorangegangene Jahr eine Gesamtvergütung von 1 Mio. Euro oder mehr erhalten haben (High Earner).
Die letzten Erhebungen der EBA zeigen, dass sich die Anzahl der High Earner in der EU-27 allen Regulierungszwängen zum Trotz nicht etwa verringern: Die Anzahl der High Earner ist im Zeitraum von 2014 bis 2023 auf 2.122 angestiegen und hat sich damit sogar mehr als verdoppelt (siehe High Earners Dashboard Data as of End 2023).
Die compgovernance-Studie belegt, dass der Anteil der High Earner an den Risk Takern in den Top 15-Instituten in Deutschland variiert: Bei Deutsche Bank, J.P. Morgan SE und Goldmann Sachs Europe ist fast jeder zweite Risk Taker auch gleichzeitig High Earner ist. Bei den restlichen Top 15-Instituten ist der Anteil der High Earner im Durchschnitt deutlich niedriger.
Top 15 Kreditinstitute – Risk Taker und High Earner 2024 | |||
Rang | Institut/Gruppe | Anzahl Risk Taker | davon High Earner |
1 | Deutsche Bank | 1.275 | 647 |
2 | DZ Bank | 520 | 14 |
3 | Commerzbank | 982 | 15 |
4 | KfW | 174 | k.A. |
5 | J.P. Morgan SE | 374 | 166 |
6 | LBBW | 454 | 9 |
7 | BayernLB | 432 | 9 |
8 | Unicredit Bank | 257 | 33 |
9 | ING Deutschland | 179 | 3 |
10 | Helaba | 437 | 2 |
11 | NRW.BANK | 103 | 0 |
12 | VW Bank | 71 | 0 |
13 | DKB | 215 | 4 |
14 | NORD/LB | 285 | 5 |
15 | Goldman Sachs Europe | 197 | 92 |
Quelle: compgovernance, Offenlegungs- und Vergütungsberichte 2024
Auffällig erscheint aber auch, dass außerhalb der Top Institute auch viele kleinere (nicht-bedeutende) Institute Einkommensmillionäre im Rahmen ihrer Offenlegung ausweisen.
Fazit
Die Regulierung der Risk Taker-Vergütung fordert komplexe Vergütungslösungen, deren Umsetzungspraxis immer stärker auch in den Fokus der Prüfung durch in- und externe Prüfer gelangt.
Obwohl der Kreis der betroffenen Institute sowie der in diesen Instituten tatsächlich betroffenen Personen insgesamt nur klein ist, hat die Risk Taker-Regulierung einen enormen Einfluss auf die Vergütungspraxis der gesamten Branche. Die Institute haben im Sog der regulatorischen Anforderungen häufig nicht nur die nachhaltige Vergütung für die Risk Taker umgesetzt. Dadurch vermischen sich in der Praxis zunehmend die Vergütungssysteme für Risk Taker und Nicht-Risk Taker. Dies gilt insbesondere für die Vergütung im Top Management der Banken, da hier der relative Anteil der Risk Taker typischerweise am höchsten ist.
Hinzu kommt, immer häufiger stellen Institute ihre Vergütungssysteme auf den Prüfstand, mit dem Ziel, Komplexität und Umsetzungsaufwand der Risk Taker-Vergütung zu vermeiden. Die Vergütungspraxis im Banking zeigt deshalb nicht überraschend immer mehr reine Fixvergütungssysteme, Erfolgsbeteiligungsmodelle und auch betragsmäßige Deckelungen der individuellen variablen Vergütungen. Insbesondere das komplexe Aufschiebungsschema soll damit vermieden werden.
Regulatorik-Knowhow bleibt erfolgskritisch
Die Breite und Tiefe der von den Regulatoren regelmäßig weiterentwickelten aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Angemessenheit der Vergütungssysteme in Finanzunternehmen erfordert einen zeitnahen Knowhow-Transfer für die Praktiker. Immer häufiger dient die Vergütungsregulierung auch als Anknüpfungspunkt für weitere Regulierungsthemen.
Wir beraten Sie gerne zu geeigneten Schulungs- und Tagungsangeboten zu den Neuerungen und beraten Sie gerne bei der Umsetzung. Haben Sie Fragen? Vereinbaren Sie einen unverbindlichen Telefontermin mit Werner Klein unter info@compgovernance.de.