WpIVergV als Kernstück der Vergütungsregulierung für Wertpapierinstitute

Proportionalität, Kündigungsschutz und Risk Taker-Vergütung

Die Reise geht weiter. Und wieder zeichnen sich Verschärfungen bei Proportionalität, Kündigungsschutz und Risk Taker-Vergütung ab.

Im Vorjahr war der gesamte Katalog der Neuerungen aus der InstitutsVergV 3.0 erstmals umfänglich anzuwenden. Jetzt bringen neue Europäische und nationale Vorgaben weitere Änderungen. Das EU-Bankenpaket 2019 wird voraussichtlich nicht zu der befürchteten Ausdehnung des Kreises der bedeutenden Institute führen – aber zu weiteren Verschärfungen für die Risk Taker-Vergütung. Die angekündigte Überarbeitung der EBA-Selektionskriterien für die Risk Taker-Identifizierung lässt ebenfalls Neuerungen erwarten.

Die am 29. März 2019 in Kraft getretene Lockerung des Kündigungsschutzes für hochverdienende Manager in großen Banken birgt eine Reihe von Unwägbarkeiten für die Personalpraxis. Weitere Anpassungen der InstitutsVergV stehen an – wie auch die seit längerem avisierte Überarbeitung der Auslegungshilfe.

Neue Grenze für Proportionalität

Das in Brüssel lange verhandelte EU-Bankenpaket steht und wurde am 7. Juni 2019 im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Es beinhaltet Änderungen für die EU-Eigenkapitalrichtlinie und die dazugehörige Verordnung (CRD/CRR). Auch die Regelungen zu den Vergütungssystemen sind betroffen. Die EBA wird die Umsetzungsanforderungen in ihre einschlägigen Guidelines und Standards einarbeiten. Parallel sind entsprechende Korrekturen in den nationalen Regelwerken (KWG, InstitutsVergV inklusive BaFin-Auslegungshilfe) zu erwarten – ohne dass hierfür bisher ein Zeitplan kommuniziert worden ist.

Ziel des EU-Bankenpakets war es ursprünglich, kleine und mittlere Institute von Bürokratie und Aufwand zu entlasten. Am Ende ist man auf deutscher Seite wohl froh, dass es für diese Institute zumindest nicht zu weiteren Verschärfungen bei den Vergütungssystemen kommt. Zum Hintergrund: Die bisherige CRD IV-Regelung sieht bereits eine proportionale Umsetzung (auch) der Vergütungsanforderungen im Hinblick auf Größe, Komplexität und Internationalität des jeweiligen Instituts vor. Die zulässigen Erleichterungen dürfen allerdings nicht zu einer gänzlichen Befreiung von einzelnen Vorgaben führen. Da die deutsche InstitutsVergV mit ihrer Abschichtung der Anforderungen für nicht-bedeutende Institute die große Mehrzahl der Institute komplett von den besonderen Anforderungen für Risk Taker befreit, verstößt sie letztlich gegen bisheriges EU-Recht.

Alle Beteiligten im EU-Gesetzgebungsverfahren hatten von Beginn an eine Befreiung der kleinen Institute von den Risk Taker-Anforderungen unterstützt. Die Messlatte für die Einstufung lag allerdings lange auf lediglich 5 Mrd. Euro Bilanzsumme. Für Deutschland hätte dies bedeutet, dass mehr als 100 weitere Institute die komplexen Risk Taker-Anforderungen umsetzen müssten. Auf der Zielgeraden war den Beteiligten in Brüssel hierzu noch ein Kompromiss gelungen: Die EU-weite Bilanzsummengrenze wird grundsätzlich auf 5 Mrd. Euro festgelegt. Die einzelnen Mitgliedsstaaten können diese aber unter bestimmten Voraussetzungen bis auf 15 Mrd. Euro anheben (kleines Handelsbuch, keine internen Risikomodelle und mind. 75% der Geschäfte im EURO-Währungsraum). Damit scheint die bisherige Einstufungssystematik gemäß § 25n KWG (früher § 17 Abs. 1 InstitutsVergV) zu überleben.

Verschärfungen in der Risk Taker-Vergütung

Am Ende der Trilog-Verhandlungen zum EU-Bankenpaket konnten die deutschen Akteure die drohende Absenkung der Einstufungsgrenze noch verhindern. Im Gegenzug haben sie jedoch weiteren Verschärfungen in der Risk Taker-Vergütung zustimmen müssen:

Die Freigrenze, ab der die komplexe aufgeschobene Auszahlung der variablen Risk Taker-Vergütung erst erfolgen muss (siehe § 18 Abs. 1 InstitutsVergV), wird EU-weit auf 50.000 Euro festgesetzt. Dies entspricht der bisherigen deutschen Regelung. Zusätzlich ist die variable Vergütung aber künftig auch bei Beträgen darunter aufgeschoben auszuzahlen sobald der variable Anteil 1/3 der Gesamtvergütung erreicht oder überschreitet.

Der Mindest-Aufschiebungszeitraum für die nachhaltige Auszahlung der variablen Risk Taker-Vergütung (bisher gemäß § 20 InstitutsVergV 3 Jahre) wird auf 4 Jahre ausgeweitet. Damit werden alle bedeutenden Institute erneut Handlungsbedarf zur Anpassung ihrer Vergütungssysteme haben, da sich alle beim Vergütungs-Design soweit wie möglich an der bisherigen Untergrenze orientiert haben.

Für die wenigen börsennotierten Banken in Deutschland wird aber auch eine ganz wesentliche Erleichterung geschaffen. Sofern ein Teil der variablen Vergütung in Aktien des Instituts gewährt wird, müssen hierfür nicht zwingend echte Aktien verwendet werden. Geeignete virtuelle Konstrukte (Phantom Shares) sind grundsätzlich ebenfalls zulässig. Diese können in der Praxis nicht nur flexibler ausgestaltet werden, sondern auch ohne die aktienrechtlich komplexen Kapitalmaßnahmen gewährt werden.

Abzusehen ist auch, dass die von der EBA für Q4/2019 avisierte Überarbeitung des Regulatory Technical Standards zu den Selektionskriterien für die Risk Taker-Ermittlung Neuerungen bringen wird. Niemand wäre überrascht wenn die Überarbeitung weitere oder engere Kriterien bringen würde, die den Kreis der zu identifizierenden Personen weiter erhöht.

Lockerung des Kündigungsschutzes ändert InstitutsVergV

Im Rahmen des Brexit-Steuerbegleitgesetzes hat der Gesetzgeber deutliche Einschnitte im Kündigungsschutz für hochverdienende Manager großer Banken vorgenommen. Inhaltlich bedeuten sie eine Gleichstellung der betroffenen Risk Taker in bedeutenden Instituten mit leitenden Angestellten (§ 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG). Ohne dass etwa ein Bestandsschutz vorgesehen ist, kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ohne Begründung erfolgen – allerdings gegen Zahlung einer Abfindung.

Die entsprechende Neuregelung des § 25a Abs. 5a bis c KWG ist am 29. März 2019 in Kraft getreten. Betroffen sind bedeutende Institute und dort nur die Mitarbeiter, die als Risk Taker identifiziert wurden und ein jährliches Festgehalt oberhalb des Dreifachen der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung erhalten (derzeit 241.200 Euro brutto). Die Neuregelung ist frühestens anwendbar auf Kündigungen, die dem betreffenden Risk Taker nach dem 29. November 2019 zugehen. Neu ist auch die gesetzliche Anforderung, dass der betroffene Mitarbeiter von seinem Arbeitgeber über die Einstufung als Risk ausdrücklich informiert werden muss.

Die Umsetzung der neuen Kündigungsschutz-Regelung wurde vom Gesetzgeber im KWG verankert. Da die zu Grunde liegenden Regelungen zur Einstufung als bedeutendes Institut und zur Ermittlung der Risk Taker bisher ausschließlich in der nachgeordneten InstitutsVergV geregelt sind, verlagert der Gesetzgeber diese nun ins KWG und fügt dort folgende neue Regelungen ein:

  • § 1 Abs. 21 KWG – Definition des Risk Taker-Begriffs (bisher § 2 Abs. 8 Satz 1 InstitutsVergV)
  • § 25a Abs. 5a KWG – Besonderer Kündigungsschutz für hochverdienende Risk Taker (neu)
  • § 25a Abs. 5b KWG – Anforderungen an die Risikoanalyse zur Risk Taker-Ermittlung (bisher § 18 Abs. 2 InstitutsVergV)
  • § 25a Abs. 5c KWG – Anträge an die Aufsichtsbehörde bei De-Identifizierungen von High Earnern (neu)
  • § 25n KWG – Einstufungssystematik für bedeutende Institute (bisher § 17 InstitutsVergV)

Wenngleich diese Änderungen lediglich redaktionellen Charakter haben droht die InstitutsVergV inhaltlich zu zerfasern.

Personalwirtschaftliche Implikationen

Letztlich hat sich der Gesetzgeber über eine Vielzahl ernst zu nehmender Bedenken hinweggesetzt. So haben Juristen erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der neuen Vorschrift (Verstoß gegen Gleichbehandlung). Auch fehlt bislang jeder Beleg dafür, dass die Lockerung des im internationalen Vergleich strengen deutschen Kündigungsrechts tatsächlich ausländische Banken zu einem Standortwechsel nach Frankfurt verleitet.

Die veränderten Kündigungsschutz-Bestimmungen bringen weitere Verschärfungen für die Risk Taker-Vergütung und für die Praxis der Personalarbeit eine Reihe von Unwägbarkeiten:

  1. Die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der neuen Kündigungsregelung werden voraussichtlich höchstrichterliche Urteile auslösen. Erst danach können die Beteiligten von einer echten Rechtssicherheit ausgehen.
  2. Erster Anknüpfungspunkt ist die Einstufung des Mitarbeiters als Risk Taker im laufenden Jahr. Im Streitfall droht die arbeitsgerichtliche Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der durchgeführten Risikoanalyse zur Ermittlung der Risk Taker. Da die meisten Institute die strengen Vorgaben durch sinnvolle vergütungspolitische Erwägungen ergänzen, ergeben sich potenzielle Einfallstore für die Arbeitsrichter. Vor allem die Anwendung der quantitativen Selektionskriterien (z. B. Ermittlung der Vergütungshürde nach Art. 4 Ziff. 1c oder unterlassene De-Identifizierungen) können hier Angriffsflächen bieten.
  3. Zweiter Anknüpfungspunkt ist die Höhe des Monatsverdiensts gemäß § 10 Abs. 3 KSchG. Ausgangspunkt für die Einstufung als Risk Taker ist dagegen die Gesamtvergütung gemäß § 2 Abs. 1 InstitutsVergV. Fraglich ist, inwieweit sich Arbeitsrichter hier nach den aufsichtsrechtlichen Vorgaben der InstitutsVergV bzw. des EBA RTS richten, anhand derer das Institut die Risikoanalyse durchzuführen hat.
  4. Die Höhe der möglichen Abfindung richtet sich gemäß § 10 KSchG nach Alter und Betriebszugehörigkeit und kann maximal 15 Brutto-Monatsgehälter betragen. Sie ist gemäß § 5 Abs. 6 InstitutsVergV als variable Vergütung einzuordnen. Da die Festsetzung durch Urteilsspruch des Arbeitsrichters erfolgt, laufen die diversen Anforderungen (Anrechnung auf Obergrenze, aufgeschobene Auszahlung bzw. anteilige Gewährung in Instrumenten, finanzwirtschaftliche Auszahlungsvoraussetzungen) ins Leere (§ 5 Abs. 6 Ziff. 1c InstitutsVergV).
  5. Faktisch stehen die besonders erfolgskritischen Manager und Experten im Fokus, die bereits bei in Deutschland ansässigen Instituten tätig sind. Die Bundesregierung hatte deren Anzahl im Gesetzgebungsverfahren auf ca. 5.000 beziffert. Das sind zwar weniger als 1 Prozent der Bankbeschäftigten in Deutschland – doch es handelt sich dabei um die besonders erfolgskritischen Manager und Experten. Die potenziell Betroffenen sind durch die Presseberichte verunsichert. Eine gute Kommunikationsstrategie erscheint nötig.

Zeitplan für erneute Novelle von InstitutsVergV und Auslegungshilfe offen

Die Umsetzung der letzten InstitutsVergV-Novelle war gerade eben erstmals Gegenstand von in- und externen Prüfungen. Es zeichnen sich dennoch bereits wieder weitere Neuerungen ab. Die Lockerung des Kündigungsschutzes wurde bereits im KWG verankert und hat zu einer Verlagerung bisheriger Regelungen der InstitutsVergV ins KWG geführt hat. Es bleiben noch diverse Neuerungen in der Risk Taker-Vergütung aus dem EU-Bankenpaket, die in nationales Recht umzusetzen sind (siehe angepasste Freigrenzen-Regelung und erweiterte Mindest-Aufschiebungsdauer in der Auszahlung).

Auch hatte die BaFin bereits kurz nach der Veröffentlichung ihrer Auslegungshilfe im Februar 2018 avisiert, diese fortlaufend anpassen zu wollen, um sie an den jeweils aktuellen Stand der Aufsichtspraxis anzupassen. Mehrere angekündigte Termine sind bereits verstrichen. Es ist wohl davon auszugehen, dass die nächste Überarbeitung zeitlich und inhaltlich mit den veränderten EU-Vorgaben zusammenhängen wird. Somit wäre eine zeitnahe und rein redaktionelle Überarbeitung aus unserer Sicht eher überraschend.

Eine Kommunikation zum Zeitplan für die Novelle der InstitutsVergV selbst und die Überarbeitung der zugehörigen Auslegungshilfe besteht bislang nicht. Interessant wird auch sein, wie eine etwaige Konsultation mit den betroffenen Branchenverbänden und Instituten erfolgen wird.

Knowhowtransfer und Weiterbildung zu aktuellen Themen

Die beschriebenen Neuerungen und die Folgewirkungen der InstitutsVergV 3.0 und ihrer Auslegungshilfe bescheren den Vergütungspraktikern einen ständigen Informations- und Weiterbildungsbedarf. Unter dem nachfolgend Link finden Sie einen Überblick über aus unserer Sicht geeignete zielgruppenbezogene externe Tagungen bzw. Seminarveranstaltungen.

Über compgovernance

Compensation Governance Werner Klein & Partner (compgovernance) ist eine unabhängige und inhabergeführte Unternehmensberatung mit Sitz in Düsseldorf. Der Schwerpunkt der Beratungstätigkeit liegt im Performance und Compensation Management von Banken und anderen Finanzdienstleistern.

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Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, InstitutsVergV, Kündigungsschutz, Proportionalitätsprinzip, Risk Taker

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