Vergütungsregelungen und ihre Umsetzung dürfen nicht zu Entgeltbenachteiligungen auf Grund des Geschlechts führen („Equal Pay“). Gesetzgeber und Bankenaufsicht haben die Regulierung der Vergütungssysteme genutzt, um diesen Grundsatz für Finanzunternehmen weiter zu verschärfen.
Die European Banking Authority (EBA) bereitet mit aktuellen Erhebungen und Initiativen weitere Verschärfungen der bestehenden Anforderungen vor. Deren Umsetzung fällt den betroffenen Kredit- und Wertpapierinstituten bereits bisher nicht leicht. Auch wird dieses Handlungsfeld in der Praxis offensichtlich aus unterschiedlichen Gründen oft vernachlässigt.
Der Schlüssel zur erfolgreichen Umsetzung liegt nicht nur in der konformen Ausgestaltung der angewandten Vergütungssysteme. Vor allem der fortlaufenden Überwachung des bestehenden geschlechterbezogenen Vergütungsgefälles im Rahmen der erweiterten Vergütungs-Governance kommt eine hohe Bedeutung zu.
Gender Pay Gap als Indikator
Als Indikator für geschlechtsspezifische Vergütungsunterschiede dient den Experten in erster Linie der vom Statistischen Bundesamt (Destatis) regelmäßig ermittelte Gender Pay Gap. Er beschreibt die Differenz des durchschnittlichen Brutto-Stundenverdienstes der Frauen im Verhältnis zum Brutto-Stundenverdienst der Männer in Deutschland. Sofern ein Vergütungsunterschied besteht, gilt dieser als Indiz für mangelnde Gleichbehandlung in der Vergütung.
Gemäß Destatis verdienten im Jahr 2023 Frauen durchschnittlich 18 % weniger pro Stunde als Männer. Ein Großteil dieses Vergütungsabstands führt das Destatis darauf zurück, dass Frauen häufiger als Männer in Branchen, Berufen und Anforderungsniveaus arbeiten, in denen schlechter bezahlt wird. Auch die häufigere Teilzeit und die damit verbundenen geringeren durchschnittlichen Brutto-Stundenverdienste sind ursächlich. Der verbleibende nicht erklärbare Teil des Gender Pay Gap („bereinigter Gender Pay Gap“) beträgt aber immer noch 6 %. Das bedeutet: im Jahr 2023 verdienten Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien wie Männer im Schnitt 6 % weniger pro Stunde als Männer.
Auch wenn die Berechnungsansätze der Statistiker des Destatis für viele Vergütungsexperten ungenügend erscheinen, bleibt am Ende doch die Gewissheit, dass es zweifelsfrei einen geschlechterbezogenen Vergütungsnachteil in den Unternehmen gibt – und Equal Pay damit ein personalwirtschaftliches Handlungsfeld ist.
Handlungsfeld für Finanzunternehmen
Bereits die allgemeine gesellschaftliche Diskussion über faire Vergütung und der ESG-Kontext bringen Equal Pay auf die Agenda der Personalverantwortlichen. Die zusätzlichen aufsichtsrechtlichen Vorgaben für die Finanzbranche verstärken den Handlungsdruck für die Institute. Der größte Treiber in der Personalpraxis ist aber wohl die notwendige Gewinnung, Motivation und Bindung von Fachkräften in einem umkämpften Arbeitsmarkt.
Der besondere Handlungsdruck für die Finanzunternehmen wird regelmäßig durch branchenbezogene Analysen zum Gender Pay Gap belegt: diese zeigen unisono, dass der geschlechterbezogene Vergütungsabstand in der Finanzbranche signifikant höher liegt als in anderen Branchen (siehe Hans Böckler Stiftung, Gender Pay Gap Finanzbranche 2023).
Auch die Erhebung der EBA über die Anwendung geschlechtsneutraler Vergütungspolitik in Kredit- und Wertpapierinstituten (EBA/REP/2024/16 vom Juli 2024) bestätigt den Handlungsbedarf. Danach verfügen noch längst nicht alle Institute über eine geschlechtsneutrale Vergütungspolitik und dementsprechend auch nicht über ein entsprechendes Monitoring von bestehenden geschlechtsbezogenen Vergütungsunterschieden. Auch die EBA-Erhebungen zu den High Earnern in der EU (EBA/Rep/2024/07 vom 25. April 2024) befeuern offensichtlich den Tatendrang der Aufseher, denn danach sind von den insgesamt 2.342 so genannten Einkommensmillionären in 2022 nur 9 % (bei Kreditinstituten) bzw. sogar nur 3 % (bei Wertpapierfirmen) weiblich.
Equal Pay und Regulierungsrahmen
Der Grundsatz der geschlechtsneutralen Vergütung ist nicht neu (siehe EU-Sozialcharta 1965, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 2006 und Entgeltransparenzgesetz 2017). Der Gesetzgeber nutzt die branchenbezogene Regulierung der Vergütungssysteme für Finanzunternehmen für weitere Verschärfungen.
- Kreditinstitute: auf Grundlage der InstitutsVergV vom 20. September 2021 gilt Equal Pay ausdrücklich für die Mitglieder der Aufsichts- und Geschäftsleitungsgremien (§ 25d Abs. 5 KWG) sowie sämtliche Mitarbeiter. Dabei regelt die InstitutsVergV die Anwendung sehr dezidiert im Hinblick auf die Umsetzung auf Instituts- und Gruppenebene (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 IVV, § 27 Abs. 1 InstitutsVergV).
- Mittelgroße Wertpapierinstitute: die WpIVergV vom 9. Januar 2024 fordert Equal Pay für die Mitglieder der Aufsichts- und Geschäftsleitungsgremien sowie die weiteren Risk Taker des Instituts (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 WpIVergV).
Die Aufsicht belässt es nicht bei umfangreichen Regelungsvorgaben, sondern lässt sich auch regelmäßig von den (bedeutenden) Instituten relevante Informationen zur Umsetzung im Rahmen des bankaufsichtlichen Meldewesens zuliefern (siehe § 24 Abs. 1d KWG i.V.m. § 9a Abs. 4 AnzV).
Auch wenn im Regulierungsrahmen für Kapitalverwaltungsgesellschaften und Versicherungsunternehmen vergleichbare ausdrückliche Verschärfungen bislang fehlen, schlägt der Grundsatz des Equal Pay zumindest auch auf die Good Practice im Vergütungsmanagement dieser Unternehmen durch.
EBA konkretisiert Equal Pay
Weitere Konkretisierungen zur Equal-Pay-Umsetzung liefert die EBA im Rahmen ihrer Leitlinien für solide Vergütungspolitik (siehe EBA/GL/2021/04 vom 2. Juli 2021 bzw. EBA/GL/2021/13 vom November 2021).
Vorab: die Aufseher akzeptieren, dass es grundsätzlich geschlechtsbezogene Vergütungsunterschiede in den Instituten gibt. Sie geben auch keine Höhe vor, bis zu der ein Vergütungsabstand angemessen oder zulässig ist. Die Vorgaben richten sich vielmehr auf die geschlechtsneutrale Ausgestaltung von Vergütungsinstrumenten und -prozessen. Kernpunkt ist aber die geforderte fortlaufende Analyse und Bewertung der Gründe für einen geschlechterbezogenen Vergütungsabstand und dessen Höhe im Rahmen der erweiterten Vergütungs-Governance der Institute. Die Angemessenheit eines Gender Pay Gaps ist damit immer im Einzelfall und auf der Grundlage der institutsbezogenen Personal- und Vergütungsstrategie zu beurteilen.
Operativ kommt dem Nachweis der Geschlechtsneutralität der angewandten Vergütungssysteme hohe Bedeutung zu. Die konforme Ausgestaltung ist z.B. durch dokumentierte Stellenbeschreibungen, Verfahren zur Stellenbewertung oder Lohn- und Gehaltskategorien zu belegen. In dem Zusammenhang gerät auch das fixe Vergütungssystem stärker in den Fokus der Beteiligten in der Vergütungs-Governance, da der Großteil der individuellen Vergütung bei den meisten Instituten aus fixen Vergütungsbestandteilen besteht.
Die Entwicklung der geschlechtsspezifischen Vergütungsunterschiede sind zudem regelmäßig zu überwachen – für jedes Land und getrennt für Mitglieder des Aufsichtsgremiums und der Geschäftsleitung, weitere Risk Taker sowie alle sonstigen Mitarbeiter. Die in der Regel vom Bereich Personal bereit gestellten Analysen basieren laut Erhebung der EBA in der Praxis auf ausgewählten Kennzahlen, z.B.
- Anzahl Beförderungen oder Gehaltserhöhungen m/w
- Anteil Frauen in Management-Funktionen oder in Nachfolgeplanungen für Management-Funktionen
- Verhältnis befristete – unbefristete Verträge m/w
- Verteilung m/w nach Alter und Geschlecht
- Verhältnis Vollzeit/Teilzeit m/w
- Durchschnittliche Anzahl Schulungstage m/w
- Anteil Frauen mit Beförderungen/Gehaltserhöhungen während Mutterschutz/Elternzeit
Sofern wesentliche geschlechtsspezifische Unterschiede identifiziert werden, sind die Hauptgründe vom Institut zu dokumentieren und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
Vergütungs-Governance als Schlüssel
Durch die Anforderung der regelmäßigen Überwachung des Equal Pay sind Monitoring und Bewertung von Vergütungsabständen auch Gegenstand der umfassenden Überwachungs- und Berichtspflichten im Rahmen der erweiterten Vergütungs-Governance in Instituten, z.B.
- Bericht der Geschäftsleitung an das Aufsichtsgremium über die Ausgestaltung der Vergütungssysteme (§ 3 Abs. 1 InstitutsVergV)
- Durchführung der Angemessenheitsprüfung für die Vergütungssysteme von Geschäftsleitern und Mitarbeitern sowie Berichterstattung an das Aufsichtsgremium (§§ 12 und 15 Abs. 2 InstitutsVergV)
- Ständige Überwachung der Angemessenheit der Vergütungssysteme durch den Vergütungsbeauftragten und Berichterstattung an die Geschäftsleitung sowie das Aufsichtsgremium und seinen Vergütungskontrollausschuss im Vergütungskontrollbericht (§ 24 InstitutsVergV)
- Durchführung von System-/Einzelfallprüfungen und Berichterstattung durch die Interne Revision
- Prüfung und Berichterstattung des Jahresabschlussprüfers (§ 12 PrüfBV)
Damit erhöhte sich die unternehmenspolitische Bedeutung dieses Themas in der Praxis deutlich und beschert den internen Kontroll- und Überwachungsfunktionen wie auch den Aufsicht- und Geschäftsleitungsgremien Aufgaben und Verantwortlichkeiten.
Die Reise geht weiter
Die EBA adressiert weiteren Bedarf zur Überwachung der Equal Pay-Umsetzung an die nationalen Bankaufseher. Es ist deshalb davon auszugehen, dass Bundesbank und BaFin (wie auch die EZB im Rahmen des SSM) die regulatorisch konforme Umsetzung im Rahmen der laufenden Bankenaufsicht überwacht. Das gibt auch den Jahresabschlussprüfern und somit auch den internen Prüfern Anlass, diesem Regulierungsfeld mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Die EBA stellt zudem in Aussicht, ihre eigenen Umsetzungsbestimmungen diesbezüglich weiter zu entwickeln. Dabei gerät wohl auch immer stärker die Offenlegung von quantitativen Vergütungsangaben im Vergütungsbericht – getrennt nach Geschlechtern – in die Überlegungen der Aufseher.
Regulatorik Knowhow bleibt erfolgskritisch
Die Breite und Tiefe der von den Regulatoren regelmäßig weiterentwickelten aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Angemessenheit der Vergütungssysteme in Finanzunternehmen erfordert einen zeitnahen Knowhow-Transfer für die Praktiker.
Wir beraten Sie gerne zu geeigneten Schulungs- und Tagungsangeboten zu den Neuerungen. Haben Sie Fragen? Vereinbaren Sie einen unverbindlichen Telefontermin mit Werner Klein unter info@compgovernance.de.