Die Neuerungen der InstitutsVergV 3.0 sind bereits seit mehr als einem Jahr in Kraft. Bei den großen Instituten stehen die verschärften Vergütungsvorgaben für die Risk Taker im Fokus der Umsetzungen. Das Vergütungsmanagement für die Risk Taker zählt damit längst zu den besonders anspruchsvollen Handlungsfeldern. Die ständigen Nachbesserungen auf Grund regulatorischer Interventionen konterkarieren die intendierte Nachhaltigkeit der Vergütung. Zudem zeigt der Blick auf die Vergütungspraxis nur geringe Nachhaltigkeitsanteile an der variablen Vergütung. Bei der beabsichtigten Lockerung des Kündigungsschutzes werden die Risk Taker erneut Gegenstand von Regulierungsinterventionen.
Finanzmarktkrise als Legitimation für Regulierung
Die Verwerfungen an den Finanzmärkten waren die Legitimation für die seit zehn Jahren andauernde Regulierungswelle im Banking. Dabei haben Gesetzgeber und Branchenaufsicht mit immer neuen Regulierungsinitiativen unter anderem die Vergütungssysteme von Banken mit umfangreichen Vorgaben befrachtet. Keine andere Branche ist bislang mit vergleichbaren staatlichen Eingriffen bei der Vergütung der Beschäftigten konfrontiert.
Im Mittelpunkt der aufsichtsrechtlichen Anforderungen stehen die Risk Taker. Es handelt sich dabei um die Mitarbeiter, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil eines Instituts auswirkt. Neben den Mitgliedern der Geschäftsleitungs- und Aufsichtsgremien zählen auch Führungskräfte der nachgeordneten Führungsebene dazu. Dies gilt auch für weitere Führungskräfte, sofern sie wesentliche Teile des Geschäfts (inklusive der damit verbundenen Risiken) verantworten oder risiko-kontrollierende Organisationseinheiten leiten. Schließlich können auch Mitarbeiter auf Expertenebene betroffen sein, die über entsprechende Risikobefugnisse im Kredit- und Handelsgeschäft verfügen oder besonders hohe Vergütungen beziehen.
Identifizierung als Ausgangspunkt
Für die Ermittlung der Risk Taker in den Instituten hat die European Banking Authority (EBA) bereits 2014 einheitliche Selektionskriterien vorgegeben (Delegierte Verordnung (EU) Nr. 604/2014). Die vom Institut selbst durchzuführende Risikoanalyse zur Identifizierung der Risk Taker ist der Dreh- und Angelpunkt für die Umsetzung der daran anknüpfenden Vergütungsanforderungen. Gesetzgeber und Aufsicht haben deshalb die Anforderungen an die Beteiligten in der Compensation Governance geschärft. Zuletzt wurde das Pflichtenheft durch die Novelle der InstitutsVergV vom 25. Juli 2017 erweitert:
Die allgemeine Verantwortung für die Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme des Instituts liegt bei der Geschäftsleitung. Sie legt dabei auch Vorgehen, Selektionskriterien und Ergebnisse der Risk Taker-Ermittlung fest. Ab 2018 sind Einzelfälle, in denen Mitarbeiter eine vergleichbar hohe Vergütung erhalten aber trotzdem nicht als Risk Taker identifiziert werden („De-Identifizierungen“ gemäß Art. 4 der Delegierte Verordnung (EU) Nr. 604/2014) von der Geschäftsleitung ausdrücklich zu beschließen (§§ 3 Abs. 1 Satz 3 und 18 Abs. 2 InstitutsVergV).
Die Kontrolleinheiten führen die Risikoanalyse durch bzw. sind bei der Durchführung angemessen zu beteiligen (§ 3 Abs. 3 InstitutsVergV). Der Vergütungsbeauftragte überwacht die angemessene Durchführung der Risikoanalyse und deren Umsetzung (§ 24 Abs. 1 InstitutsVergV).
Das Aufsichtsgremium bzw. der unterstützende Vergütungskontrollausschuss haben den Prozess der Ermittlung der Risk Taker sowie die regulatorisch angemessene Ausgestaltung und Umsetzung der Risk Taker-Vergütung zu überwachen (§ 15 Abs. 3 InstitutsVergV und § 25d Abs. 12 Ziff. 1 Kreditwesengesetz). Neu ist auch hier, dass die Einzelfälle der „De-Identifizierung“ der ausdrücklichen Kenntnisnahme des Aufsichtsgremiums bedürfen (§ 18 Abs. 2 InstitutsVergV).
Größere Risk Taker-Mengengerüste
Im Ergebnis handelt es sich bei den Risk Takern immer nur um eine kleine Gruppe innerhalb der Belegschaft, für deren variable Vergütung die besonderen Anforderungen der InstitutsVergV gelten. Für 2016 hatten Erhebungen der EBA einen signifikanten Rückgang der EU-weit identifizierten Risk Taker um 21,3 % auf 53.382 gezeigt (EBA Report Benchmarking of Remuneration Practices at the EU Level and Data on High Earners 2016). Während weder EBA noch nationale Aufsicht eine Erhebung der in Deutschland identifizierten Risk Taker durchführen, zeigen die von für 2016 und 2017 veröffentlichten Offenlegungsberichte der bedeutenden Institute grundsätzlich stabile Risk Taker-Mengengerüste. Für 2017 ergeben sich dabei nur im Einzelfall rückläufige Risk Taker-Mengengerüste im Hinblick auf den hohen Restrukturierungsdruck und rückläufige Bonuspools einzelner Institute.
EU-weit beträgt der durchschnittliche Anteil der Risk Taker an der gesamten Mitarbeiterpopulation eines Instituts nur 2 %. Deutsche Institute weisen dagegen nach Untersuchungen von compgovernance z. T. deutlich höhere Anteile auf. Die Institute hierzulande werden durch die intensive Aufsicht und Überwachung zu einer restriktiveren Anwendung der EBA-Selektionskriterien gedrängt. Auch haben sie Anwendung zum Teil freiwillig weiter gefasst, um sinnvolle personal- und vergütungspolitische Lösungen zu implementieren. Gerade für diese Institute können aus dem Regierungsvorhaben zum Kündigungsschutz Nachteile entstehen, die auch zu einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung der Risk Taker-Einstufung im Einzelfall führen können.
Nachhaltigkeit durch Risikoadjustierung
Die wesentliche regulatorische Intention bei der Risk Taker-Vergütung besteht darin, gerade für die risikobeeinflussenden Personen im Institut Fehlanreize zu vermeiden, die aus dem Eingehen unverhältnismäßig hoher Risiken zur Optimierung der variablen Vergütung resultieren können. Die Erfolgsgrundlagen der variablen Vergütung müssen deshalb die tatsächlichen Erfolgsbeiträge unter Berücksichtigung der eingegangenen Risiken berücksichtigen. Die Risikoadjustierung ist deshalb das zentrale Handlungsfeld bei der Gewährung und Auszahlung der variablen Vergütung und verfolgt zwei Perspektiven:
Die komplexen Anforderungen an die aufgeschobene Auszahlung dienen dazu, diese Rückschau vor der endgültigen Auszahlung durchführen zu können. Die Novelle der InstitutsVergV hat die bereits bisher komplexen Risk Taker-Anforderungen noch erweitert. Von der Verlängerung der Auszahlungszeiträume und des Aufschiebungsanteils auf mindestens 5 Jahre bzw. mindestens 60% ist das gesamte Senior Management betroffen.
Eine weitere Neuerung sieht die Einführung einer Rückzahlungsklausel (Clawback) vor, nach der eine bereits ausgezahlte variable Vergütung bei schwerwiegenden Sachverhalten zurückgefordert werden kann. Auch kommen dadurch Ansprüche auf die künftige Auszahlung variabler Vergütung zum Erlöschen. Die Rückgriffsfrist geht dabei noch 2 Jahre über das Ende des eigentlichen Zurückbehaltungszeitraums hinaus. Die schwierige arbeitsrechtliche Umsetzung insbesondere des Clawback stellt die Institute vor große Herausforderungen. Während die Anpassung von individualrechtlichen Regelungen bereits weit fortgeschritten erscheint, tun sich die Mitbestimmungsgremien bei der Vereinbarung bzw. Neufassung von benötigten kollektivrechtlichen Regelungen schwer, derartige verschlechternde Regelungen mitzutragen.
„@ Risk-Vergütungsanteil“ in der Praxis eher gering
Die durchschnittlichen variablen Vergütungsanteile von Geschäftsleitern und sonstigen Risk Takern liegen branchentypisch deutlich über denen von Nicht-Risk Takern. Dabei treiben die Stellung in der Unternehmenshierarchie, die damit verbundenen Verantwortlichkeiten und Entscheidungsbefugnisse sowie marktübliche Vergütungshöhen die Pay Level.
Die Vergütungspraxis zeigt nach rund acht Jahren Risk Taker-Regulierung einen eher durchwachsenen Regulierungserfolg: Der „@ Risk-Vergütungsanteil“ der Risk Taker, d. h. der variable Vergütungsanteil, der aufgeschoben wird und dessen Auszahlung unter diversen zeitlich-inhaltlichen Bedingungen steht, ist bei den meisten Instituten eher gering oder beträgt sogar null (siehe compgovernance in die bank 01/2019, Praxis der Bankenvergütung – Nachhaltigkeit mit Fragezeichen). Die aufsichtsrechtlich intendierte Ex-post-Risikoadjustierung läuft damit weitgehend ins Leere. Hintergrund sind tatsächlich niedrige variable Vergütungshöhen in vielen Instituten. Hinzu kommen eine ganze Reihe von institutsbezogenen Vergütungslösungen für die Risk Taker, die eine Begrenzung der variablen Vergütung auf unter 50.000 Euro p.a. vorsehen – und damit die aufgeschobene Auszahlung umgehen.
Im Hinblick auf das Dickicht ihrer eigenen Vorgaben führt die Aufsicht ihre Ausgangsthese, wonach Vergütungssysteme auch eine angemessene Anreizfunktion zur Umsetzung der Geschäfts- und Risikostrategie der Bank haben sollen, ad absurdum. So können die Umsetzungslösungen in der Praxis allgemeinen Anreiztheorien längst kaum noch folgen.
Aufweichung des Kündigungsschutzes
Zunächst weitgehend unbeachtet hatten die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag vom 14. März 2018 eine weitere regulatorische Verschärfung für Banken programmiert: Zur Stärkung der Attraktivität des Finanzplatzes Deutschland soll der Kündigungsschutz für die Risk Taker gelockert werden und dem der leitenden Angestellten angeglichen werden. Hintergrund sind die erwarteten Verlagerungen vom Londoner Finanzzentrum nach Kontinentaleuropa im Rahmen des Brexits. Betroffen sind nach den Eckdaten des Vorhabens solche Risk Taker, deren Vergütung das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung überschreitet. Das entspräche einer Jahresvergütung von 234.000 Euro. Unklar bleibt bislang ob damit nur die jährliche Fixvergütung gemeint sein wird oder aber die gesamte Barvergütung (inklusive Boni, Tantiemen und sonstigen Sonderzahlungen).
Die als Risk Taker identifizierten Personen zählen auf Grund ihrer Stellung in der Organisation und den korrespondierenden Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu den Hochverdienern mit durchschnittlich 200 TEuro bis 250 TEuro Gesamtvergütung p.a. Sofern für die beabsichtigte Lockerung des Kündigungsschutzes die Gesamt-Barvergütung eines Jahres herangezogen werden sollte wäre neben den Geschäftsleitern und den weiteren Senior Managern auch nahezu alle Führungskräfte im Middle Management und auch jede Menge Senior Experten betroffen.
Die zusätzliche Diskussion um den Kündigungsschutz schürt bereits spürbar die Unsicherheit bei den potentiell Betroffenen. Letztlich droht den Banken ein weiterer Abgang hochqualifizierter Mitarbeiter und Führungskräfte in andere Branchen. Hierzu tragen auch die Bankarbeitgeber bei, denen die Pläne der Regierungskoalition noch nicht weit genug gehen. Sie plädieren für eine generelle Neudefinition des Begriffs des „leitenden Angestellten“ abhängig von der Vergütungshöhe. Damit würden dann auch alle hochverdienenden Nicht-Risk Taker in den Banken ins Feuer gestellt.