Bereits 2019 hatte der Gesetzgeber für die Finanzbranche besondere Regelungen zum Kündigungsschutz geschaffen. Durch die Lockerung des Kündigungsschutzes sollten die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen für Spitzenverdiener in großen Banken flexibilisiert werden. Betroffen sind bisher Mitarbeiter, die über sehr hohe Vergütungen verfügen und als Risk Taker eingestuft sind.
Im Rahmen ihrer Wachstumsinitiative 2025 beabsichtigt die Bundesregierung, die Lockerung des Kündigungsschutzes für hochverdienende Risk Taker auf sämtliche Finanzunternehmen auszuweiten. Damit geraten erstmals auch kleine und mittelgroße Kreditinstitute, mittelgroße Wertpapierinstitute, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Versicherungen in den Fokus arbeitsrechtlich sensibler Sonderregelungen.
Was als zusätzlicher Impuls für eine neue wirtschaftliche Dynamik gedacht ist, schafft aus Sicht vieler Experten eher Verunsicherung und fördert den weiteren Abgang hochqualifizierter Mitarbeiter und Führungskräfte in andere Branchen.
Brexit-Begleitgesetz 2019
Im Rahmen des Brexit-Steuerbegleitgesetzes vom 15. März 2019 hatte der Gesetzgeber erstmals Einschnitte im Kündigungsschutz für hochverdienende Manager großer Banken vorgenommen. Mit der Einführung des § 25a Abs. 5a KWG wollte die Bundesregierung insbesondere den großen Banken aus US und UK Anreize bieten, Geschäftsaktivitäten im Rahmen des Brexits samt des zugehörigen Personals nach Frankfurt zu verlagern.
Betroffen sind bisher nur die als bedeutend eingestuften Kreditinstitute und dort nur die Angestellten, die der Geschäftsleitung nachgeordnet sind. Sie müssen auf Grund ihrer Tätigkeit als Risk Taker eingestuft sein (§ 25a Abs. 5b KWG i.V.m. Delegierte Verordnung (EU) 2021/923) und über eine besonders hohe Vergütung verfügen. Relevant ist eine individuelle Jahres-Fixvergütung, die das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung überschreitet (derzeit 271.800 Euro p.a.).
Sofern die Bedingungen des § 25a Abs. 5a KWG erfüllt sind, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Risk Taker ohne Begründungspflicht aufheben. Allerdings steht dem betroffenen Mitarbeiter eine angemessene Abfindung für den Verlust seines Arbeitsplatzes zu.
Risk Taker vs. leitende Angestellte
Inhaltlich bedeutet die branchenbezogene Lockerung des Kündigungsschutzes eine kündigungsschutzrechtliche Gleichstellung der betroffenen Risk Taker mit den so genannten leitenden Angestellten (§ 5 Abs. 3 BetrVG).
Leitende Angestellte sind Arbeitnehmer mit besonders großer Entscheidungsfreiheit. Typischerweise treffen sie Entscheidungen mit großer Tragweite für das Unternehmen (z.B. Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern, Generalvollmacht, umfassende Prokura). Der Gesetzgeber unterstellt insofern, dass die einheitlichen Kriterien für die Selektion der Risk Taker geeignet sind, Verantwortlichkeiten und Befugnisse mit einer vergleichbaren Tragweite zu bestimmen.
Aufgrund ihrer Nähe zum Arbeitgeber gelten für leitende Angestellte im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern einige arbeitsrechtliche Besonderheiten. Dies gilt insbesondere für den Kündigungsschutz. Dieser richtet sich im Grundsatz zwar nach den allgemeinen Vorschriften für normale Angestellte. Leitende Angestellte können jedoch nicht eine Weiterbeschäftigung gegen den Willen des Arbeitgebers erzwingen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Als Ausgleich steht ihnen jedoch in diesem Fall eine entsprechende Abfindung zu (§ 14 Abs. 1 KSchG).
Wachstumsinitiative 2025
Im Entwurf zum Bundeshaushalt für 2025 hat die Bundesregierung auch Eckpunkte für die so genannte Wachstumsinitiative 2025 verabschiedet. Hiermit sollen zusätzliche Impulse für eine neue wirtschaftliche Dynamik am Wirtschaftsstandort Deutschland geschaffen werden. Zu den insgesamt 49 vorgesehenen Maßnahmen zählt auch die Flexibilisierung der Rahmenbedingungen für Spitzenverdiener im Finanzsektor.
Durch die Aufhebung der Beschränkung auf bedeutende Kreditinstitute wird der gelockerte Kündigungsschutz künftig auch für die kleinen und mittelgroßen (nicht-bedeutenden) Kreditinstitute angewendet (§ 25a Abs. 5a KWG-E). Zusätzlich werde die Regelungen erstmals auch auf mittelgroße Wertpapierinstitute (§ 46 Abs. 4 WpIG-E), Kapitalverwaltungsgesellschaften (§ 37 Abs. 4 KAGB-E) und Versicherungen (§ 24 Abs. 5 VAG-E) ausgeweitet.
Implikationen für die HR-Arbeit
In der Wahrnehmung der allermeisten Personalentscheider hat die 2019 geschaffene Lockerung des Kündigungsschutzes für große Kreditinstitute bisher eher keine greifbaren Effekte für den Arbeitsmarkt gebracht. Trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb) plant die Bundesregierung jetzt, die Lockerung des Kündigungsschutzes auf sämtliche hochverdienenden Risk Taker in allen Finanzunternehmen auszuweiten. Über den Umweg der Vergütungsregulierung geraten damit auch kleinere und mittelgroße Finanzunternehmen erstmals in den Fokus arbeitsrechtlich sensibler Sonderregelungen.
Bei der großen Anzahl von nicht-bedeutenden Kreditinstituten gewinnt die bisher eher als pro-forma Vorgang eingeordnete Einstufung von Risk Takern damit an Bedeutung. Zwar werden die relevanten Vergütungshöhen von kleineren inländischen Finanzunternehmen überwiegend nur selten erreicht, doch insbesondere internationale Tochterunternehmen und Boutiquen mit einem Geschäftsschwerpunkt in Capital Markets, Investment Banking sowie Asset Management geraten in das Fahrwasser der neuen arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen. Gerade hier hatten der Bonus Cap und die komplexen Vergütungsanforderungen an variable Vergütungen zu nennenswerten Umschichtungen in der Vergütung zu Gunsten der fixen Vergütungsbestandteile geführt.
In das neue Spannungsfeld geraten grundsätzlich die besonders erfolgskritischen Führungskräfte und Senior-Experten unterhalb der Geschäftsleitung. Die zusätzliche Diskussion um den Kündigungsschutz schürt bereits spürbar die Unsicherheit bei den potentiell Betroffenen. Letztlich droht den Banken ein weiterer Abgang hochqualifizierter Mitarbeiter und Führungskräfte in andere Branchen – in denen die allgemeinen arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen gelten und es keinerlei Vergütungsregulierung gibt.
Regulatorik Knowhow bleibt erfolgskritisch
Die Breite und Tiefe der von den Regulatoren regelmäßig weiterentwickelten aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Angemessenheit der Vergütungssysteme in Finanzunternehmen erfordert einen zeitnahen Knowhow-Transfer für die Praktiker. Immer häufiger dient die Vergütungsregulierung auch als Anknüpfungspunkt für weitere Regulierungsthemen.
Wir beraten Sie gerne zu geeigneten Schulungs- und Tagungsangeboten zu den Neuerungen. Haben Sie Fragen? Vereinbaren Sie einen unverbindlichen Telefontermin mit Werner Klein unter info@compgovernance.de.