Die Fachtagung für Vergütungsbeauftragte 2022 fand am 9. November 2022 als Hybrid-Veranstaltung (Präsenz plus online) statt. Die Agenda für die insgesamt 40 Teilnehmer und Referenten war wie gewohnt geprägt durch die besondere Aktualität der Themen und die hochkarätigen Referenten. Im Mittelpunkt standen die aktuellen aufsichtsrechtlichen Entwicklungen sowie ausgewählte Fragen der Praxisumsetzung von neuen aufsichtsrechtlichen Vorgaben für die Vergütungssysteme.
Werner Klein (compgovernance) stellte bei seiner Eröffnung die Zielsetzungen des Veranstaltungsformats heraus: Update zu aufsichtsrechtlichen Entwicklungen, Blick über den Tellerrand und Networking. Aus seiner Sicht zeigen die allgemeine Resonanz und die von Jahr zu Jahr ansteigenden Teilnehmerzahlen, dass die Fachtagung ein in der Praxis gut etabliertes Format darstellt.
Aufsichtsrecht im Wandel
Die in der Öffentlichkeit diskutierten Zahlen zum so genannten Gender Pay Gap zeigen signifikante Vergütungsabstände für Männer und Frauen in Banken – und das sowohl im nationalen wie auch im EU-Vergleich. Aus Sicht von Soo Maximilian Hahn (Verband Öffentlicher Banken) besteht für die Institute entsprechender Handlungsbedarf. Die Regulierungsvorgaben hierzu werden noch zunehmend engmaschiger und bestehen insbesondere aus Berichtspflichten, Auskunftsansprüchen sowie inhaltlichen Anforderungen an die angemessene Ausgestaltung und Umsetzung der internen Vergütungssysteme.
Die Berücksichtigung von ESG-Risiken im Risikomanagement – und damit mittelbar auch in den Vergütungssystemen – stellt ein weiteres großes Handlungsfeld dar. Auch hier spannen die EU- und nationalen Regulierer ein Netz aus Anforderungen an die Ausgestaltung der Vergütungssysteme und diversen Berichtspflichten auf.
Bei der aktuellen Umsetzungsvorbereitung des EU-Bankenpakets 2021 (CRR III/CRD VI) stehen zwar vergütungsbezogene Inhalte nicht im Vordergrund, dennoch beschäftigt sich der Trilog mit Einzelanträgen zur Schärfung von ausgewählten Vorgaben (z.B. zur geschlechtsneutralen Vergütungspolitik, Berücksichtigung von ESG-Zielen, Vereinfachungen für kleine Institute und formalen Anforderungen an den Offenlegungsprozess).
Working Programme der EBA zu Governance und Remuneration
Das Arbeitsprogramm der European Banking Authority (EBA) sieht für das kommende Jahr umfangreiche Unterstützungsarbeiten für die EU-Kommission vor.
Für die Erhebungen zur Vergütungspraxis hatte die EBA zur Jahresmitte 2022 ihre Guidelines final überarbeitet. Darin sieht die EBA erstmals auch die Erfassung von geschlechtsbezogenen Angaben vor. Bernd Rummel (European Banking Authority) erläuterte die dafür vorgesehenen Tabellen und die Ermittlung der benötigten Daten. Insgesamt ergibt sich ein umfangreiches Paket an regelmäßigen Meldungen der Institute (über die Bundesbank an die EBA). Danach sind die Angaben zu den High Earnern (Mitarbeiter mit Gesamtvergütungen ab 1 Mio. Euro) künftig jährlich zu melden. Die umfangreichere Erhebung von Remuneration Trends and Practices erfolgt dagegen nur alle zwei Jahre. Die Angaben zum so genannten Gender Pay Gap sind nur alle drei Jahre zu melden (erstmals in 2024 für das Geschäftsjahr 2023).
Im Ausblick arbeitet die EBA zudem an umfangreichen Arbeitspaketen zu anderen Regulierungsfeldern (z.B. DORA, MiCAR), bei deren Umsetzung mit zusätzlichen Vergütungsanforderungen für die betroffenen Unternehmen zu rechnen ist.
InstitutsVergV 4.0 und Auslegungshilfe in der Umsetzungspraxis
Die BaFin-Auslegungshilfe zu der im September 2021 in Kraft getretenen Novelle der InstitutsVergV ist weiterhin in Bearbeitung und Abstimmung zwischen Bundesbank und BaFin. Karin Kliche (Bundesbank) erläuterte die offenen Punkte hinsichtlich der formalen und inhaltlichen Finalisierung. Ein fester Zeitplan für die Konsultation und die Veröffentlichung der finalen Version liegen derzeit nicht vor.
Neben der Umsetzung von Neuerungen aus der InstitutsVergV 4.0 werden auch Erkenntnisse aus der laufenden Aufsichtspraxis Gegenstand von Anpassungen sein (z.B. Festsetzung des Gesamtbetrags der variablen Vergütung, Berücksichtigung von negativen Erfolgsbeiträgen, Abfindungen und der Ausgestaltung von Non-Cash-Instrumenten in der Risk Taker-Vergütung). Auch hinsichtlich der Regelungen zum internen Vergütungsbeauftragten werden organisatorische und aufgabenbezogene Schärfungen geprüft (z.B. Kenntnisse, Exklusivtätigkeit und Anforderungen an Ausnahmen, Auslagerung und Vergütungskontrollbericht).
ESG-Risiken im Risikomanagement
Über die letzten Jahre hinweg hat die Aufsicht die Berücksichtigung von ESG-Risiken im Risikomanagement der Institute verankert. Dabei werden ESG-Risken nicht als eigene Risikokategorie, sondern als Treiber für die bekannten aufsichtlichen Risikoarten (Adressenausfall-, Marktpreis- und Operationale Risiken) verstanden.
Olivia Meister (Verband Öffentlicher Banken) gab zunächst einen Überblick zu wesentlichen Vorgaben der ESG-Risiken in allen drei Säulen des Basler Rahmenwerks und ging dann näher auf den aktuellen regulatorischen Stand im Risikomanagement, d.h. in der Säule II, ein. Wichtige Papiere umfassen hier bspw. das BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, das bereits Ende 2019 veröffentlicht worden ist, der EZB-Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken, der ein Jahr später veröffentlicht wurde sowie der EBA-Bericht zum Management von ESG-Risiken, veröffentlicht im Sommer 2021. Im Rahmen ihrer 7. Novelle werden die Anforderungen an ESG-Risiken zudem in die MaRisk integriert und somit für alle Institute verbindlich.
Aus der Einbeziehung der ESG-Risiken in das Risikomanagement der Institute ergeben sich regelmäßig auch Auswirkungen auf die Vergütungssysteme, die nachhaltiges Verhalten fördern sollen und Teil eines langfristigen Risikomanagements sein müssen.
Neustart für den Vergütungsbericht
Die Offenlegungsanforderungen zu den Vergütungssystemen wurden durch verschiedene Änderungen in den EU-rechtlichen und nationalen Vorschriften verschärft. Bei den Top 30 Banken erfolgt die Offenlegung überwiegend in einem eigenen Offenlegungsbericht zur Vergütungspolitik. Weniger häufig werden die Offenlegungsangaben im Geschäftsbericht oder dem allgemeinen CRR Risikobericht veröffentlicht. Aus Sicht von Werner Klein (compgovernance) zeigt die Offenlegungspraxis bei einzelnen bedeutenden Instituten durchaus Mängel im Hinblick auf die Vollständigkeit der geforderten Angaben sowie im Hinblick auf die Inanspruchnahme von Erleichterungen beim Ausweis.
Trotz der bei großen Instituten in der Regel geforderten Offenlegung auf Gruppenebene können einzelne nachgeordnete Unternehmen dennoch Anforderungen unterliegen, nach denen zusätzlich ein eigener Vergütungsbericht offenzulegen ist (z.B. große Banktöchter, Wertpapierinstitute und Kapitalverwaltungsgesellschaften).
Von der geforderten Offenlegung einzelner Angaben kann nur in einem engen Rahmen abgewichen werden. Die Erleichterungen des Art. 432 CRR (geheim, vertraulich oder nicht wesentlich) sind dabei ausdrücklich für die Risk Taker-Vergütungsangaben nach Art. 450 CRR ausgeschlossen. Lediglich bei den zusätzlichen Angaben nach § 16 InstitutsVergV räumt die deutsche Aufsicht diese Erleichterungen für die weiteren Angaben ein.
Rückkehr zu Bonuszahlungen in der NORD/LB
Bedingt durch den umfassenden Restrukturierungsprozess hatte die NORD/LB über mehrere Jahre auf die Zahlung von variablen Bonuszahlungen verzichtet.
Nach einer umfassenden Überarbeitung der Bonusregelungen unter Berücksichtigung der Neuerungen aus der InstitutsVergV 4.0 hat die NORD/LB nach Angaben von Richard Hermann Winter (NORD/LB) für 2021 erstmals wieder Bonuszahlungen gewährt. Die Überarbeitung der variablen Vergütungsregelungen wurde als gesamthaftes Projekt zur Neuordnung von Prozessen, Verantwortlichkeiten und inhaltlichen Regelungen und unter Beteiligung des Konzern-Vergütungsbeauftragten umgesetzt. Die Sondersituation des Instituts wie auch der Umfeldbedingungen (Pandemie, Inflation und Energiekrise) führte zur Prüfung von alternativen bzw. ergänzenden variablen Vergütungselementen für ausgewählte Beschäftigtengruppen.
Die Neuordnung der variablen Vergütung wird in der NORD/LB flankiert durch die Entwicklung einer neuen Job Architektur als Basis für eine geänderte fixe Vergütungssystematik.
Vergütungsvorgaben in der Versicherungsbranche
Das Schwergewicht der Vergütungsregulierung in der Finanzbranche betrifft von Beginn an die klassischen Kreditinstitute. Zunehmend haben die Regulierer weitere sektorale Regulierungsfelder für die Vergütungssysteme einzelner Teilbranchen etabliert. Die spezifischen Vergütungsanforderungen für die Versicherungsunternehmen stellen einen der spezifischen sektoralen Vergütungsrahmen dar.
Eduard Blum (Munich Re) stellte die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssystem von Versicherungsunternehmen vor. Aus seiner Sicht sind diese Vergütungsanforderungen deutlich weniger detailliert als die der Kreditinstitute und bieten im Vergleich deutlich mehr Raum für Interpretation und unternehmensbezogene Umsetzung. Dabei sind auch bei den Versicherungen diverse nationale und internationale Regelwerke relevant (EU-Solvency II, VAG, VersVergV).
In der Umsetzung reflektiert die Munich Re sehr deutlich auf kollektive Erfolgsbeteiligungen für die unterschiedlichen Mitarbeitergruppen. Damit können umfangreiche Risk Taker-Bezogene Anforderungen an die Erfolgsmessung aufsichtsrechtlich konform vermieden werden.
Allgemeines
Die Fachtagung für Vergütungsbeauftragte ist ein exklusives Tagungsformat für Vergütungsbeauftragte und ihre Stellvertreter. Neben dem Einblick in die Compensation Governance unterschiedlicher Institute wird der fachliche Austausch der Vergütungsbeauftragten untereinander und mit Vertretern der Aufsicht gestärkt.
Haben Sie Fragen? Vereinbaren Sie einfach einen unverbindlichen Telefontermin unter werner.klein@compgovernance.de