Im Mittelpunkt der Vergütungsregulierung für Banken stehen die Risk Taker. Eine aktuelle Studie von compgovernance belegt, die Risk Taker-Vergütung trifft in der Praxis nur einen elitären Kreis von Mitarbeitenden in wenigen Instituten.
Von den rund 1.500 Kreditinstituten in Deutschland sind nur etwa 5% als bedeutend eingestuft und fallen damit unter den Anwendungsbereich der besonderen Risk Taker-Anforderungen. Selbst in diesen Instituten sind nicht alle Mitarbeitende von den besonderen Vergütungsanforderungen betroffen, sondern nur die rund 4,5%, die als Risk Taker eingestuft sind. Von diesen entgeht jedoch ein Großteil den besonders erschwerenden Auszahlungsregelungen durch die Ausnutzung von eingeräumten Erleichterungen.
Risk Taker im Fokus
Der deutsche Gesetzgeber wendet die EU-Vergütungsvorschriften grundsätzlich auf sämtliche Mitarbeitenden an. Dennoch treffen die materiellen Vergütungsanforderungen an die Erfolgsmessung und Auszahlung der variablen Vergütung im Wesentlichen nur die Risk Taker in den als bedeutend eingestuften Instituten.
Die Umsetzungsbestimmungen zur Risk Taker-Vergütung werden überwiegend in der Institutsvergütungsverordnung (§§ 18 bis 22 und 27 InstitutsVergV) konkretisiert. Auch die aktuelle InstitutsVergV 4.0 vom 20.09.2021 hat erneute Verschärfungen gebracht, z.B.
- Risk Taker-Anforderungen können abhängig vom Risikoprofil auch für Institute mit einer Bilanzsumme unter 15 Mrd. Euro zur Anwendung kommen (§§ 1 Abs. 3 und 18 Abs. 1 InstitutsVergV)
- Freigrenze, ab der die aufgeschobene Auszahlung der variablen Vergütung vorgenommen werden muss, beträgt 50.000 Euro und maximal 1/3 der Gesamtvergütung (§ 18 Abs. 1 InstitutsVergV)
- Mindest-Aufschiebungszeitraum für die variable Vergütung der Risk Taker beträgt 4 Jahre (§ 20 Abs. 1 InstitutsVergV)
- Behandlung von Gruppen-Risk Takern in nachgelagerten Tochterunternehmen mit eigener sektoraler Regulierung (§ 27 Abs. 2 und 4 InstitutsVergV).
Zuletzt hatte die Aufsicht auch noch weitere Konkretisierungen zur Risk Taker-Vergütung im Rahmen ihrer FAQs zur InstitutsVergV vom 21.06.2023 konsultiert (z.B. zu negativen Erfolgsbeiträgen, Absicherungsverbot, Modifier und Instrumenten).
Einstufung als Startpunkt
Nur als bedeutend eingestufte Institute haben die Risk Taker-Vergütungsanforderungen anzuwenden (§ 1 Abs. 3 InstitutsVergV). Die Einstufung knüpft im Wesentlichen an der Institutsgröße an, die an der Bilanzsumme gemessen wird (§ 1 Abs. 3c KWG). Die relevante Schwelle für die Einstufung beträgt 15 Mrd. Euro im Durchschnitt der vorangegangenen 4 Jahre. Unabhängig von der Institutsgröße können im Einzelfall auch Institute als bedeutend eingestuft werden, sofern sie die Bedingungen für die SSM-Aufsicht erfüllen (Art. 6 Abs. 4 SSM-Verordnung) oder potentiell systemrelevant sind (§ 12 KWG).
Für einen größer werdenden Teil der Finanzbranche bestehen Sonderregelungen: Öffentlich-rechtliche Förderinstitute sind erst ab einer Bilanzsumme von 70 Mrd. Euro bedeutend (Art. 2 Abs. 5 CRD i.V. § 2 Abs. 9i KWG), Leasing- und Factoring-Unternehmen sind von der InstitutsVergV und deren Risk Taker-Regelungen insgesamt ausgenommen (§ 1 Abs. 1 InstitutsVergV) und bei den Wertpapierinstituten unterliegen nur die wenigen großen Institute weiterhin der InstitutsVergV (Art. 2 Abs. 2 CRR).
Dennoch erhält die Gruppe der bedeutenden Institute kontinuierlichen Zuwachs durch die branchenimmanente Konzentration und das organische Bilanzsummenwachstum. Im Ergebnis schätzt die Branche die Anzahl der im Inland ansässigen bedeutenden Institute auf ca. 80. Bei etwa 1.500 Kreditinstituten in Deutschland ergibt für die als bedeutend eingestuften Institute ein Anteil von 5%.
Größe und Risiken treiben Mengengerüste
Bei den Risk Takern handelt es sich in der Praxis neben den Mitgliedern der Aufsichts- und Geschäftsleitungsgremien um weitere Führungskräfte und Senior-Experten in den geschäftsgenerierenden Markteinheiten sowie den Kontrolleinheiten (§§ 1 Abs. 21 und 25a Abs. 5b KWG). Für die konkrete Ermittlung dieser Personen gibt die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2021/923 vom 25. März 2021 einen verbindlichen Kriterienkatalog vor.
Die Anwendung der von der EBA zuletzt in 2021 überarbeiteten einheitlichen Selektionskriterien hat die Risk Taker-Mengengerüste insgesamt anwachsen lassen. Treiber für unterschiedliche Risk Taker-Anzahlen ist nicht alleine die Unternehmensgröße: Auch Unterschiede in den Geschäfts- und Organisationsmodellen, im Risikoprofil und vor allem in der Risk Governance bestimmen die institutsbezogenen Risk Taker-Anzahlen. Insgesamt verzeichnen kleinere Institute tendenziell höhere Risk Taker-Quoten. Beim Anwachsen der Risk Taker-Anzahlen haben sich in den vergangenen Jahren auch die Auswirkungen des Brexit bemerkbar gemacht. Vor allem große US-Institute haben in ihren in Deutschland ansässigen Europa-Töchtern die Geschäftsaktivitäten nennenswert ausgebaut, die tendenziell hohe Risk Taker-Anzahlen aufweisen.
Insgesamt hat sich die Anzahl der als Risk Taker eingestuften Personen in den in Deutschland ansässigen Top 50-Instituten in 2022 gegenüber dem Vorjahr nur um 4,0% auf 9.158 erhöht. Die Musik spielt hier aber deutlich bei den Top-Instituten: Bei den Top 10-Instituten, auf die alleine 5.405 Risk Taker (59,1%) entfallen, fiel der Zuwachs gegenüber dem Vorjahr mit plus 20,6% signifikant höher aus.
Risk Taker in Top 10-Instituten 2021/2022 | ||
Institutsgruppe | Anzahl Risk Taker | |
2021 | 2022 | |
Deutsche Bank | 958 | 1.286 |
DZ Bank | 537 | 541 |
KfW | 167 | 167 |
Commerzbank | 1.194 | 1.158 |
J.P. Morgan SE | 197 | 289 |
LBBW | 334 | 437 |
Unicredit | 380 | 354 |
BayernLB | 542 | 496 |
Goldman Sachs Europe | 188 | 224 |
Helaba | 383 | 453 |
gesamt | 4.480 | 5.405 |
Quelle: compgovernance, Vergütungsberichte 2021/2022
Divergierende Risk Taker-Quoten
In 2022 waren in den Top 30-Instituten durchschnittlich 4,5% der Beschäftigten als Risk Taker eingestuft. Dabei zeigt sich eine hohe institutsbezogene Streuung: Während die Deutsche Bank als größtes deutsche Kreditinstitut nur einen Anteil der Risk Taker am Total Headcount von 1,4% ausweist, erreichen andere Top 30-Institute bis zum vierfachen dieses Wertes.
Der relative Anteil der Risk Taker in deutschen Instituten bzw. Institutsgruppen lag damit 2022 im Durchschnitt etwa auf dem EU-Niveau (siehe EBA Benchmarking Report für 2020).
Risk Taker in ausgewählten Top 20-Instituten 2022 |
|
Institutsgruppe |
Anteil Risk Taker am Total Headcount (in%) |
Deutsche Bank |
1,5 |
ING Deutschland |
2,0 |
Unicredit Bank |
2,7 |
Commerzbank |
2,8 |
DZ Bank |
3,0 |
DekaBank |
3,7 |
Durchschnitt EU |
4,5 |
LBBW |
4,5 |
NORD/LB |
4,9 |
BayernLB |
5,4 |
J.P. Morgan SE |
6,0 |
Helaba |
6,3 |
Quelle: compgovernance, Vergütungsberichte 2022
Freigrenze macht Risk Taker frei
Trotz aller Bemühungen der Regulierer greifen die Vorgaben zur Risikoadjustierung insbesondere auf der Auszahlungsseite der variablen Risk Taker-Vergütung nur begrenzt. Immer häufiger stellen Institute ihre Vergütungssysteme auf den Prüfstand, mit dem Ziel, Komplexität und Umsetzungsaufwand der Risk Taker-Vergütung zu vermeiden. Die Vergütungspraxis im Banking zeigt deshalb nicht überraschend immer mehr reine Fixvergütungssysteme, Erfolgsbeteiligungsmodelle und auch betragsmäßige Deckelungen der individuellen variablen Vergütungen. Insbesondere das komplexe Aufschiebungsschema soll damit vermieden werden.
Allgemein gilt, der Vergütungsanteil @Risk ist umso höher, je größer, internationaler und kapitalmarktorientierter die Ausrichtung des jeweiligen Instituts ist. Im Umkehrschluss weisen z.B. Bausparkassen, öffentlich-rechtliche Sparkassen, Volksbanken und kleinere Institute jenseits der Top 30-Institute (fast) keine inhaltlich-zeitliche Aufschiebung der variablen Vergütung („Ex-post-Risikoadjustierung“) auf. Das gilt auch für alle öffentlich-rechtlichen Förderinstitute, denen der Gesetzgeber ohnehin eine Sonderrolle mit umfangreichen Erleichterungen einräumt.
Insbesondere die Ausnutzung der von der Aufsicht eingeräumten Materialitätsschwelle in Höhe von 50.000 Euro (§ 18 Abs. 1 InstitutsVergV) hebelt die vorgesehene Ex-post-Risikoadjustierung im Rahmen der aufgeschobenen Auszahlung der variablen Risk Taker-Vergütung aus. Mit Ausnahme der Deutsche Bank und der DekaBank ist bei allen anderen Top-Instituten mindestens jeder zweite Risk Taker von der aufgeschobenen Auszahlung befreit. Damit ist nur ein elitärer Kreis der Mitarbeitenden tatsächlich umfänglich von den materiellen Anforderungen betroffen.
Aufgeschobene Auszahlung der variablen Risk Taker-Vergütung in ausgewählten Top 20-Instituten 2022 |
||
Institutsgruppe |
Anzahl Risk Taker (ohne Mitglieder AR und VS) | Anteil Risk Taker mit aufgeschobener Auszahlung (in %) |
Deutsche Bank | 1256 | 95,1 |
DekaBank | 185 | 63,8 |
Commerzbank | 1.131 | 48,5 |
LBBW | 409 | 38,4 |
ING Deutschland | 139 | 38,1 |
DZ Bank | 512 | 28,1 |
NORD/LB | 249 |
24,9 |
BayernLB | 459 | 15,3 |
Quelle: compgovernance, Vergütungsberichte 2021/2022
Risk Taker als High Earner
Die als Risk Taker eingestuften Mitarbeitenden sind erfolgskritische Manager und Experten in ihren Instituten. Ihre Funktionen zeichnen sich durch besonders anspruchsvolle Verantwortlichkeiten und Befugnisse aus. Nicht überraschend korrelieren diese auch mit hohen individuellen Vergütungen.
Im Fokus der Aufseher stehen die so genannten High Earner. Es handelt sich um Personen, die für das vorangegangene Jahr eine Gesamtvergütung von 1 Mio. Euro oder mehr erhalten haben.
Der Anteil der High Earner an den Risk Takern in den Top 10-Instituten in Deutschland variiert sehr deutlich: Während bei Deutsche Bank, J.P. Morgan SE und Goldmann Sachs Europe fast jeder zweite Risk Taker auch gleichzeitig High Earner ist, beträgt die Quote bei den restlichen Top-10-Instituten im Durchschnitt nur etwa 2,5%.
Fazit
Durch die Verknüpfung der Vergütungssysteme mit dem Risikomanagement (§ 25a Abs. 1 KWG) wollen die Regulatoren Fehlanreize vermeiden, die aus dem Eingehen unverhältnismäßig hoher Risiken resultieren können. Die Vergütungs-Regulatorik stellt deshalb insbesondere Anforderungen an die Vergütung der Personen, die durch ihre Aufgaben und Verantwortlichkeiten das Risikoprofil des Instituts beeinflussen.
Die Regulierung der Risk Taker-Vergütung hat zu komplexen Vergütungslösungen geführt, die in der Marktpraxis vielfach auch Auswirkungen auf die Vergütungssysteme der Nicht-Risk Taker haben. Der Regulierungsaufwand erscheint insgesamt enorm. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass nur etwa 80 der ca. 1.500 Institute in Deutschland von den besonderen Risk Taker-Anforderungen betroffen sind. Aber auch hier fallen wiederum nicht alle Mitarbeitenden unter die besonderen Vergütungsanforderungen, sondern im Durchschnitt nur etwa 4,5% der Beschäftigten. Aber auch von diesen fällt der Großteil im Hinblick auf die eingeräumten Vereinfachungsregeln nicht unter die risikoadjustierenden Auszahlungsregelungen. Im Ergebnis trifft die Risk Taker-Vergütung damit nur einen elitären Kreis.
Dennoch ist der Einfluss der Risk Taker-Regelungen auf die gesamte Vergütungspraxis der Branche enorm. Die Institute haben im Sog der regulatorischen Anforderungen häufig nicht nur die nachhaltige Vergütung für die Risk Taker umgesetzt. Dadurch vermischen sich in der Praxis zunehmend die Vergütungssysteme für Risk Taker und Nicht-Risk Taker. Dies gilt insbesondere für die Vergütung im Top Management der Banken, da hier der relative Anteil der Risk Taker typischerweise am höchsten ist.
Regulatorik Knowhow bleibt erfolgskritisch
Die Breite und Tiefe der von den Regulatoren regelmäßig weiterentwickelten aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Angemessenheit der Vergütungssysteme in Instituten erfordert einen zeitnahen Knowhow-Transfer für die Praktiker. Wir beraten Sie gerne zu geeigneten Schulungs- und Tagungsangeboten zu den Neuerungen. Bitte folgen Sie dem nachstehenden Link: https://compgovernance.de/seminare-zur-institutsvergv/
Haben Sie Fragen? Vereinbaren Sie einen unverbindlichen Telefontermin mit Werner Klein unter info@compgovernance.de.