Vergütung und Auslagerungen in Finanzunternehmen

MaComp BT 8 verschärft die Vergütungsanforderungen

Die BaFin überarbeitet ihre Vergütungsanforderungen für alle Finanzunternehmen, die Wertpapierdienstleistungen erbringen. Auf Grund neuer ESMA-Bestimmungen verschärft MaComp BT 8 die Vergütungsanforderungen. Bereits bisher ist die Umsetzung für die betroffenen Unternehmen schwierig, da die Regelungen in der Praxis mit anderen aufsichtsrechtlichen Vorschriften zu den Vergütungssystemen kollidieren.

Die Anforderungen an die Vergütungssysteme werden auch auf externe Personen ausgeweitet, die im Rahmen von Auslagerungsvereinbarungen für eine Wertpapierfirma tätig sind. Bei Spitzenverdienern und Leistungsträgern soll die variable Vergütung aufgeschoben ausgezahlt werden, um nachtägliche Anpassungen zu ermöglichen. Damit würden komplexe Malus- und Clawback-Regelungen, wie sie die Branche bisher nur für so genannte Risk Taker kennt, auch bei den kleineren Wertpapierfirmen Einzug halten.

Die BaFin erweitert ihre Negativliste mit Beispielen von unzulässigen Vergütungssystemen. Insgesamt zeichnet sich einiges an Umsetzungsaufwand und viel Raum für Diskussionen mit in- und externen Prüfern ab.

Marktaufsicht und Vergütungssysteme

Das BaFin-Rundschreiben zu den „Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten (MaComp)“ gibt eigene Anforderungen an die Vergütungssysteme von Wertpapierfirmen vor. Ausgangspunkt für die Regelungen im Besonderen Teil (BT 8) sind Vorschriften des Marktaufsichtsrechts (Art. 9 Abs. 3, 16 Abs. 3 und 23 MiFID II, Art. 27 und 34 DVO zur MiFID II).

Für Kreditinstitute, Wertpapierinstitute und Kapitalverwaltungsgesellschaften gelten grundsätzlich eigene sektorale Vergütungsanforderungen aus dem Solvenz-Aufsichtsrecht (KWG, WpIG, KAGB und ergänzende Rechtsverordnungen). Sofern diese Unternehmen auch Wertpapierdienstleistungen erbringen, fallen sie zusätzlich unter den Anwendungsbereich des MaComp BT 8. Jedoch treten dann die MaComp-Anforderungen grundsätzlich gegenüber denen des Solvenz-Aufsichtsrechts zurück. Was als Erleichterung gedacht ist, führt in der Praxis zu unterschiedlichen Vergütungswelten in einem Unternehmen.

Die Zielsetzung des MaComp BT 8 besteht darin, unangemessene Anreize zu vermeiden, nicht im Interesse des Kunden zu handeln (§§ 63 ff. WpHG). Deshalb sind insbesondere rein quantitativ getriebene Anreizsysteme unzulässig. Angemessene Vergütungssysteme berücksichtigen vielmehr qualitative Ziel- und Messgrößen, die die Begünstigten darin bestärken, im Interesse der Kunden zu handeln. Bei der Überwachung der Einrichtung, Ausgestaltung und Umsetzung der Vergütungssysteme im Unternehmen kommt der Compliance-Funktion eine herausgehobene Stellung zu.

ESMA mit neuem Aufschlag

Wesentliche Grundlage der bisherigen Regelungen des MaComp BT 8 sind die „ESMA-Leitlinien Vergütungsgrundsätze und -verfahren zu MiFID (ESMA/2013/606 vom 13. Juni 2013)“. Zweck dieser Leitlinien ist die Sicherstellung der gemeinsamen, einheitlichen und konsistenten Anwendung der MiFID-Vergütungsanforderungen.

Bereits am 3. April 2023 hatte die ESMA ihre überarbeiteten „Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Vergütungsanforderungen (ESMA35-43-3565 vom 3. April 2023)“ veröffentlicht. Seit Oktober diskutiert die Bafin mit den Experten der Branchenverbände die Umsetzung im MaComp BT 8. Die BaFin lehnt sich dabei offenbar eng an die ESMA an. Damit schlagen auch die zahlreichen ESMA-Empfehlungen durch, denen sich die betroffenen Unternehmen nur sehr begrenzt werden entziehen können.

Mit der Veröffentlichung der überarbeiteten Fassung ist voraussichtlich – und ohne formelle Konsultation – bis Q1 2024 zu rechnen. Für die mittelgroßen Wertpapierinstitute könnte diese zeitlich zusammen fallen mit dem Inkrafttreten der bereits zweimal konsultierten WpIVergV.

Breiter Anwendungsbereich

Betroffen sind alle Wertpapierfirmen (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II) und Kreditinstitute (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR), wenn sie Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 MiFID II erbringen oder wenn sie Kunden strukturierte Einlagen verkaufen oder sie dazu beraten. Außerdem sind OGAW-Verwaltungsgesellschaften und externe Verwalter alternativer Investmentfonds (Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a AIFMD) betroffen, wenn sie Wertpapierdienstleistungen oder Nebendienstleistungen gemäß Art. 6 Abs. 3 der OGAW-Richtlinie oder Art. 6 Absatz 4 der AIFMD erbringen.

Unter die Regelungen des MaComp BT 8 fallen alle Vorstände bzw. Geschäftsführer der Wertpapierfirmen sowie solche Mitarbeiter, die Einfluss auf die erbrachten Wertpapier- und Nebendienstleistungen oder das unternehmerische Verhalten haben. Neu ist, dass auch alle externen natürlichen Personen zu berücksichtigen sind, die im Rahmen von Auslagerungen für die Wertpapierfirma an der Erbringung von relevanten Leistungen beteiligt sind (Art. 2 Nr. 1d DVO zur MiFID II). Das auslagernde Unternehmen hat dann zu prüfen, ob die Vergütungsgrundsätze und -verfahren des anderen Unternehmens im Einklang mit MaComp BT 8 stehen. Die Umsetzung erscheint in der Praxis insbesondere bei nicht-gruppenangehörigen Unternehmen schwierig. Auslagernde Wertpapierfirmen haben typischerweise keine Transparenz über bzw. Einwirkungsmöglichkeiten auf arbeitsrechtlich relevante Vergütungsregelungen im anderen Unternehmen.

Auch der Vergütungsbegriff ist weit gefasst (Art. 2 Nr. 5 DVO zur MiFID II): Neben den typischen finanziellen und nicht-finanziellen Vergütungsarten (z.B. Bargeld, Aktien, Optionen, Beiträge zur Altersvorsorge und Krankenversicherung, Gewinnbeteiligungen) sind auch Gehaltserhöhungen oder Beförderungen, großzügige Dienstreisekostenabrechnungen oder Seminare an exotischen Orten beachtlich. Im besonderen Fokus stehen insbesondere variable Vergütungskomponenten, für die angemessene Kriterien zu definieren sind, um die Interessen der relevanten Personen und der Firmen mit jenen der Kunden in Einklang zu bringen.

Bonus Cap

Zur Angemessenheit der Vergütungssysteme in Wertpapierfirmen gehört auch künftig die Einhaltung der vom Gesetzgeber vorgegebenen maximalen Obergrenze für die variable Vergütung. Die individuelle variable Vergütung ist begrenzt auf 100% der fixen Vergütung. Eine Anhebung ist zwar grundsätzlich möglich, erfordert aber umfangreiche Governance-Beschlüsse und ist nur bis maximal 200% der fixen Vergütung zulässig (§ 25a Abs. 5 KWG).

Im Zusammenspiel der verschiedenen aufsichtsrechtlichen Regelwerke zu den Vergütungssystemen scheint der so genannte Bonus Cap bei den Wertpapierfirmen immer fragwürdiger zu werden. Die Regelungen der Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung (§ 7 Abs. 1 WpIVergV) und des Kapitalanlagegesetzbuches (§ 37 KAGB) sehen selbst für Personen, die durch ihre Tätigkeit das Risikoprofil des Unternehmens beeinflussen können (Risk Taker), keine einheitliche gesetzliche Obergrenze vor, sondern überlassen es den Unternehmen, ein angemessenes Verhältnis festzulegen. Und für Kreditinstitute, die unter die Vergütungsvorgaben für Wertpapierfirmen fallen, gilt ohnehin bereits der Bonus Cap gemäß § 25a Abs. 5 KWG.

Deferrals nicht nur für Risk Taker

Die besonderen sektoralen Vergütungsanforderungen für Kreditinstitute (§§ 18 bis 22 InstitutsVergV), Wertpapierinstitute (§§ 8 bis 12WpIVergV) und Kapitalverwaltungsgesellschaften (§ 37 KAGB) sehen für Risk Taker zusätzliche Anforderungen an die Auszahlung der variablen Vergütung vor (Ex-post-Risikoadjustierung).

Der neue MaComp BT 8 setzt auch die ESMA-Vorgaben zu nachträglichen Anpassungsmechanismen für die variable Vergütung um. Damit die festgesetzte variable Vergütung nachträglich angepasst werden kann, empfiehlt die Aufsicht aufgeschobene Auszahlungsmodelle. Grundsätzlich soll bei unbefristeten Anlagen ohne Laufzeit immer eine Aufschiebung der Auszahlung der variablen Vergütung für eine festgelegte Anzahl von Jahren oder bis zur Einlösung des Produkts erfolgen. Insgesamt sollen Spitzenverdiener und Leistungsträger bei der Aufschiebung im Fokus stehen, die insgesamt risikoorientierter behandelt werden sollen. Für deren variable Vergütung bedeutet das zumindest eine teilweise verzögerte Auszahlung.

Damit werden auch bei den Wertpapierfirmen Malus- und Clawback-Regelungen zum Bestandteil der Good Practice in der variablen Vergütung. Auslöser für nachträgliche Anpassungen oder Rückzahlungsforderungen sind z.B. Fehlverhalten oder Verstöße gegen Verhaltens-, Informations- und Berichtspflichten des 11. Abschnitts des WpHG oder der delegierten Rechtsakte zur MiFID II. Entsprechende Ereignisse sollten nicht auf solche beschränkt sein, die Anlass zu Aufsichtsmaßnahmen, Geldbußen oder Sanktionen geben, sondern bestätigte Versäumnisse oder Verstöße berücksichtigen.

Bad Practice

Die BaFin erweitert ihre Negativliste mit Beispielen von unzulässigen Vergütungssystemen. Dabei übernimmt sie den langen Katalog der ESMA mit Beispielen von Vergütungsgrundsätzen und -verfahren, die einen starken Anreiz zum Verkauf bestimmter Produkte setzen und bei denen demzufolge potenziell die Einhaltung der MiFID II-Anforderungen tangiert werden könnte. 

Bad Practice in Wertpapierfirmen

Vergütungsgrundsätze und -verfahren in Wertpapierfirmen sind nicht angemessen, sofern sie …

… sich hauptsächlich auf quantitative Ziel- und Messgrößen stützen und nicht zumindest durch qualitative Kriterien adjustiert werden (z.B. erzielte Anlagerendite, Anzahl Beschwerden, Einhaltung aufsichtsrechtlicher Anforderungen)
… nur auf individuellen Produktverkäufen basieren und dabei unterschiedlich hohe Bonuszahlungen für verschiedene Produkte oder Produktkategorien vorsehen
… Querverkaufsziele berücksichtigen, zu deren Erreichung z.B. bessere Kreditkonditionen davon abhängig gemacht werden, dass der Kunde zusätzlich ein bestimmtes Finanzinstrument kauft
… Auszahlungen überhaupt erst vorsehen, wenn beim Produktverkauf ein Mindestvolumen erzielt wird („Alles-oder-nichts-Ziele“)
… bei unbefristeten Anlagen ohne Laufzeit keine Aufschiebung der Auszahlung für eine festgelegte Anzahl von Jahren oder bis zur Einlösung des Produkts vorsehen
… Spitzenverdiener und Leistungsträger nicht einer zusätzlichen risikoorientierten Prüfung unterziehen (z.B. Compliance-Ergebnisse, Beschwerden oder Stornierungsdaten)
… bei der Festsetzung der Vergütung Rechtsverstöße gemäß MiFID II und ihre delegierten Rechtsakte nicht berücksichtigen, nur weil für die Wertpapierfirma keine finanziellen Sanktionen von der BaFin verhängt werden
… für die Mitarbeiter der Kontrollfunktionen an die quantitative wirtschaftliche Leistung der Personen geknüpft, deren Vergütung sie auszugestalten oder zu kontrollieren haben
… bei Gehaltserhöhungen und Beförderungen überwiegend auf quantitativen wirtschaftlicher Kriterien basieren, deren ausschließliche Verwendung bei der variablen Vergütung nicht angemessen ist
… bei relevanten Personen eine leistungsorientierte Anpassung des Grundgehalts (nach oben oder unten) auf der Grundlage vorgegebener Verkaufsziele vorgesehen ist

Fazit

Die Umsetzung der neuen ESMA-Leitlinien im Rahmen des überarbeiteten MaComp BT 8 führt zu Verschärfungen für alle Wertpapierfirmen. Der Anwendungsbereich wird im Hinblick auf die betroffenen Personen und Vergütungskomponenten ausgeweitet.

Die Anforderungen an nachträgliche Anpassungsmöglichkeiten führen voraussichtlich zu aufgeschobenen Auszahlungsmodellen vor allem bei den erfolgskritischen Personengruppen. Im Ergebnis steigen die Komplexität und der Umsetzungsaufwand für die Angemessenheit der Vergütungssysteme.

Diverse Neuerungen suggerieren im Wortlaut einen Empfehlungscharakter („Wertpapierfirmen sollten in Erwägung ziehen“). Dennoch wird die Diskussion mit Eigentümern, Öffentlichkeit sowie in- und externen Prüfern für die Praxis einen enormen Druck aufbauen, auch diese Elemente, die von der Aufsicht ausdrücklich als Good Practice vorgegeben werden, zu implementieren.

Regulatorik Knowhow bleibt erfolgskritisch

Die Breite und Tiefe der von den Regulatoren regelmäßig weiterentwickelten aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Angemessenheit der Vergütungssysteme in Finanzunternehmen erfordert einen zeitnahen Knowhow-Transfer für die Praktiker.

Wir beraten Sie gerne zu geeigneten Schulungs- und Tagungsangeboten zu den Neuerungen. Bitte folgen Sie dem nachstehenden Link: https://compgovernance.de/fit-and-proper-in-der-compensation-governance/

Haben Sie Fragen? Vereinbaren Sie einen unverbindlichen Telefontermin mit Werner Klein unter info@compgovernance.de.

Ex-post-Risikoadjustierung, InstitutsVergV, MaComp BT 8, Vergütungssysteme Banken

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.