WpIVergV als Kernstück der Vergütungsregulierung für Wertpapierinstitute

Update für die Auslegungshilfe zur InstitutsVergV

Die BaFin hat am 18. September 2020 ein Update für die Auslegungshilfe zur InstitutsVergV veröffentlicht. Bei dem 90-seitigen Dokument handelt es sich nicht um eine konsultierte finale Neufassung, sondern nur um einen „Bearbeitungsstand“. Grundlage sind die Regelungen der InstitutsVergV 3.0. Bis zum Jahresende ist mit dem Inkrafttreten des Risikoreduzierungsgesetzes (RiG) und der InstitutsVergV 4.0 zu rechnen. Damit zeichnet sich bereits jetzt eine weitere Neufassung der Auslegungshilfe für 2021 ab.

Die Rechtsqualität des Updates erscheint unklar, zumal die Bafin selbst es nicht einmal über ihre Website allgemein zugänglich macht. Inhaltlich stellen die Neuerungen ein Grundrauschen zu fast allen Regelungsthemen hinweg dar. Nicht alle Änderungen sind neu aber vieles wird erstmals festgeschrieben. Betroffen sind nicht nur zahlreiche grundlegende Regelungen, sondern auch zentrale Fragen zur Vergütungs-Politik und -Governance sowie zur Risk Taker-Vergütung.

Nur Auslegung oder auch Hilfe?

Auslegungshilfen gehören neben Rundschreiben und Merkblättern zu den Verlautbarungen der BaFin, die als Richtschnur bei aufsichtlichen Entscheidungen dienen. Die Auslegungshilfe zur InstitutsVergV vermittelt die Anforderungen der Aufsicht (Bafin und BuBank) für die Prüfungspraxis. Dabei werden nicht nur deutsche Besonderheiten bei der Umsetzung der EBA-Leitlinien berücksichtigt, sondern auch Regelungslücken der umfangreichen EBA-Leitlinien gefüllt.

Aufgrund ihrer Rechtsnatur bindet die Auslegungshilfe (im Gegensatz zur InstitutsVergV selbst) nicht die EZB bei der Ausübung ihrer SSM-Aufsicht. Hier dient sie lediglich als Orientierung der zuständigen Aufseher. Sie soll dort zum allgemeinen Verständnis der InstitutsVergV beitragen, wo die deutsche Umsetzung der CRD bzw. der EBA-Leitlinien nicht 1:1 erfolgt.

Für die Vergütungspraktiker stellt sich die Frage nach dem Handlungsbedarf aus dem Update. Die aus unserer Sicht wesentlichen Neuerungen für die Praxis haben wir nachfolgend zusammengestellt.

Dividenden, Boni und Gesamtbetrag der variablen Vergütung

Auch Corona hinterlässt Spuren. Alle nationalen und EU-Aufsichtsbehörden haben im laufenden Jahr bereits mit Nachdruck zum Verzicht auf Ausschüttungen und Boni aufgerufen. Diese Erwartung wird auch in der Auslegungshilfe weiter zementiert. Für die bedeutenden Institute wird explizit auf die Empfehlung der EZB (siehe ECB/2020/35) verwiesen. Hiernach können variable Vergütungen, einschließlich der Anwendung von Malus- und Rückforderungsregeln, nur unter Beachtung der Kapitalanforderungen und im Einklang mit den Ergebnissen des SREP gewährt werden.

Die Prüfung der finanzwirtschaftlichen Anforderungen des § 7 InstitutsVergV wird nicht ersetzt durch die Herleitung der Bemessungskriterien aus der Geschäfts- und Risikostrategie. Die Bonuspool-Festsetzung hat immer unter „going concern“-Bedingungen zu erfolgen, d. h. es ist immer von einer Situation auszugehen, die nicht der Sanierungsphase entspricht.

Bei der Festlegung des Gesamtbonuspools müssen die Institute über angemessene Verfahren und Kontrollen als Teil des Vergütungssystems verfügen. Abweichungen von den festgelegten Prozessabläufen, Kriterien und Schwellenwerten sind zu begründen und zu dokumentieren. Zudem sind entsprechende Beschlussfassungen der Geschäftsleitung (bzw. des Aufsichtsgremiums) erforderlich.

Schärfungen zur Governance mit Fragezeichen

Das  Aufsichtsgremium ist für die angemessene Ausgestaltung der Vergütungssysteme der Geschäftsleiter verantwortlich (§ 3 Abs. 2). Seine Aufgaben hat das Aufsichtsgremium in seiner Gesamtheit zu erfüllen. Entscheidungen können nicht auf einzelne Mitglieder (z.B. den Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums) oder Ausschüsse (z.B. Vergütungskontrollausschuss) delegiert werden.

Die Berichtspflicht der Geschäftsleitung gegenüber dem Aufsichtsgremium (§ 3 Abs. 1) soll aus Sicht der Aufsicht nicht nur die Mitarbeitervergütung umfassen, sondern auch die eigene Vergütung der Geschäftsleiter. Damit soll für das Aufsichtsgremium ein Überblick über alle Vergütungssysteme im Institut sichergestellt werden. Dieses Vorgehen widerspricht ganz offensichtlich elementaren Grundsätzen in der Corporate Governance. Wir empfehlen demgegenüber eine möglichst saubere Abgrenzung der Governance-Anforderungen für die unterschiedlichen Vergütungssysteme von Geschäftsleitern und Mitarbeitern.

Unabhängigkeit in der Angemessenheitsprüfung

Die Frage, wer denn in einem Institut über die notwendige Unabhängigkeit für die Durchführung der Angemessenheitsprüfung (§ 12 InstitutsVergV) verfügt, hat die Umsetzungspraxis sehr kontrovers beschäftigt. Geeignet sind aus Sicht der Aufsicht insbesondere die Interne Revision, die Bereiche Recht und Compliance sowie der Vergütungsbeauftragte (in bedeutenden Instituten).

Die Rolle des Vergütungsbeauftragten in der § 12-Prüfung ist aus dem gesetzlich definierten Aufgabenkatalog nicht zweifelsfrei herzuleiten. Obwohl es ebenso viele Argumente für wie auch gegen den Vergütungsbeauftragten gibt, bestätigt die Aufsicht jetzt die Zulässigkeit der Prüfungsdurchführung durch den Vergütungsbeauftragten. Dabei sollen zur Vermeidung von Doppelarbeiten nicht nur Verweise zwischen den verschiedenen Berichten zulässig sein, sondern auch deren Zusammenfassung in einem gesamthaften Bericht an das Aufsichtsgremium (z. B. Fusion der Berichte nach § 12 und 24 Abs. 3).

Behandlung tariflicher Vergütungen

Die InstitutsVergV ist grundsätzlich nicht auf tarifliche Vergütungen anzuwenden (§ 1 Abs. 4 InstitutsVergV). Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht – im Update für die Auslegungshilfe zur InstitutsVergV schärft die Aufsicht hier nach.

An Tarifmitarbeiter über den Tarif hinaus gezahlte (übertarifliche) Vergütungen sind voll im Fahrwasser der InstitutsVergV. Bei der quantitativen Offenlegung (§ 16 InstitutsVergV, Art. 450 CRR) sind tarifliche Vergütungen immer zu veröffentlichen. Bei der Ermittlung der Obergrenze (§ 6 InstitutsVergV), bei den besonderen Vergütungsvorgaben für Kontrolleinheiten (§ 9 InstitutsVergV) sowie bei der quantitativen Risk Taker-Ermittlung (Schwellenwerte für Gesamtvergütung) sind tarifliche Vergütungen ebenfalls voll zu berücksichtigen.

Verschärfungen für Zielvereinbarungen im Kreditgeschäft

Die InstitutsVergV 3.0 gibt bereits besondere Anforderungen für eine Reihe von Personengruppen vor: Geschäftsleiter (§ 10 InstitutsVergV), sonstige Risk Taker (§§ 18 bis 22 InstitutsVergV), Mitarbeiter in Kontrolleinheiten (§ 9 InstitutsVergV) sowie Mitarbeiter im Privatkundengeschäft (§ 5 Abs. 1 Nrn. 3 bis 5 InstitutsVergV).

Hinzu kommen jetzt auch dezidierte Anforderungen für Mitarbeiter, die an der Abwicklung von notleidenden Risikopositionen beteiligt sind bzw. in den für die Kreditvergabe zuständigen Bereichen tätig sind. Deren Zielvereinbarungen sollen klare Anreize setzen, die in der Strategie für notleidende Risikopositionen und im Umsetzungsplan gesetzten Zielvorgaben zu erreichen. Dafür sind insbesondere die (quantitativen) Ergebnisse der Abwicklungsmaßnahmen und die Qualität der Risikopositionen bei der Verzielung zu berücksichtigen.

Abfindungen stehen weiter im Fokus

Der über mehrere Seiten erweiterte Regelungsumfang für Abfindungen wird der Praxis kaum gerecht, da die Mehrzahl der gewährten Abfindungen unter die so genannten privilegierten Abfindungsfälle (§ 5 Abs. 6 Ziff. 1 bis 3 InstitutsVergV) fallen und somit bei den meisten Regelungsvorgaben der InstitutsVergV außen vor bleiben können.

Zu den privilegierten Abfindungen zählt auch eine Einmalzahlung, die maximal dem Barwert der Fixvergütungen entspricht, die dem ausscheidenden Mitarbeiter bis zum Wirksamwerden einer Kündigung zustünden. Auch eine darüber hinaus gehende Abfindung kann privilegiert sein wenn sie über das Fixgehalt hinaus auch einen Ausgleich für den Anspruch auf eine variable Vergütung enthält.

Eine Darlegung gegenüber der Aufsicht ist insbesondere für alle Abfindungsfälle erforderlich, in denen es sich um eine privilegierte Abfindung handelt. Dies gilt verstärkt falls mehr als ein Privilegierungstatbestand vorliegt (z. B. Zusammentreffen einer Abfindung auf Grundlage eines Sozialplans plus in einer Betriebsvereinbarung geregelte sog. Sprinterprämie).

Unzulässige Absicherungsmaßnahmen

Die Umsetzung des Absicherungsverbots (§ 8 InstitutsVergV) zählt von Beginn an für viele Institute zu den schwierigsten Handlungsfeldern. Um die Anforderungen zu erfüllen reicht eine reine Verpflichtungserklärung der betroffenen Personen zur Unterlassung unerlaubter Absicherungsmaßnahmen für sich allein in keinem Fall aus. Vielmehr ist die Einhaltung der Verpflichtungserklärung unabhängig von der Rechtsform des Instituts auch zumindest stichprobenartig durch die Compliance-Funktion bzw. den Vergütungsbeauftragten (in bedeutenden Instituten) zu überprüfen.

Die Stichprobenprüfung im Depotkonto ist auch im Fall eines nicht-börsennotierten Unternehmens obligatorisch. Ausnahmen von der Stichprobenpflicht sind lediglich dann denkbar, wenn eine aktuelle Bestätigung (nicht älter als 12 Monate) seitens des Institutes bzw. eines geeigneten Dritten vorliegt, dass auf dem Markt kein derivatives Instrument existiert, welches an die Bonität des Instituts anknüpft und damit eine Absicherung ermöglichen würde.

Rolle des Vergütungsbeauftragten

Die Aufsichtspraxis hat sich zuletzt stärker mit der Rolle des Vergütungsbeauftragten beschäftigt. Im Update für die Auslegungshilfe zur InstitutsVergV wird das Anforderungs- und Aufgabenprofil des Vergütungsbeauftragten weiter konkretisiert.

Nicht nur die Umsetzung ausgewählter Anforderungen zur Angemessenheit der Vergütungssysteme ist Gegenstand der Überwachungshandlungen. Vielmehr sind alle relevanten Anforderungen der InstitutsVergV, des KWG, der Verordnungen (EU) Nr. 604/2014 und Nr. 527/2014 sowie des Art. 450 CRR im Scope der Überwachung durch den Vergütungsbeauftragten.

Ist im Ausnahmefall keine Exklusivtätigkeit des Vergütungsbeauftragten in Vollzeit vorgesehen, soll der festgelegte Arbeitsanteil dabei mindestens 50 Prozent an der Sollarbeitszeit umfassen (und ausdrücklich festgeschrieben sein).

Die geforderten Kenntnisse und Erfahrungen im Risikocontrolling müssen insbesondere die Themen Risikotragfähigkeit, Limitsysteme und ICAAP umfassen. Hierfür werden entsprechende Schulungen oder Praxisaufenthalte zur Wissensauffrischung erwartet. Auch zählen Kenntnisse über die aktuellen Entwicklungen in den Bereichen Risikocontrolling und Personal zum Anforderungsprofil, sofern sie für die Vergütungssysteme von Bedeutung sind.

Der Vergütungsbeauftragte kann als Gast an den Sitzungen des Vergütungskontrollausschusses oder auch institutsinterner Gremien teilnehmen. Dabei darf er zur Wahrung seiner Unabhängigkeit und zur Vermeidung von Interessenkonflikten über kein Stimm- oder Vetorechte verfügen, sondern ausschließlich eine beratende Funktion einnehmen.

Der Vergütungsbeauftragte eines übergeordneten Unternehmens muss sich zusätzlich zu den Vergütungssystemen der Mitarbeiter im übergeordneten Unternehmen auch mit denen der Mitarbeiter in relevanten Töchtern befassen (§ 24 Abs. 1 i.V. § 27 Abs. 2 InstitutsVergV). Dabei hat er zu überprüfen, inwieweit die regulatorischen Anforderungen auch auf Gruppenebene konsistent umgesetzt werden.

Für den Vergütungskontrollbericht werden erstmals inhaltliche Vorgaben gemacht. Sein Ergebnis muss in eine Stellungnahme zur Konformität der Vergütungssysteme mit den relevanten Anforderungen münden. Inhaltlich sind im Bericht darzustellen: Vergütungssystem, relevante regulatorische Anforderungen, durchgeführte Überwachungshandlungen zu Systemen und Offenlegung, Prüfungsergebnisse. Im Konzern muss sich der Vergütungskontrollbericht auch mit der Einhaltung der Anforderungen auf Gruppenebene befassen (z. B. Ermittlung der Gruppen-Risk Taker, Darstellung der Vergütungssysteme in den Töchtern, durchgeführte Überwachungshandlungen).

Risk Taker-Ermittlung

Die Risikoanalyse ist spätestens zu Beginn eines Jahres zu aktualisieren, um rechtzeitig die Vergütungssysteme von neu identifizierten Risk Takern mit Wirkung für das lfd. Bemessungsjahr anzupassen. Die Einstufung als Risk Taker ist den Mitarbeitern außerdem mitzuteilen (§ 25a Abs. 5b KWG).

Für die Ermittlung der Gruppen-Risk Taker sind die Kriterien der Verordnung (EU) Nr. 604/2014 (ab 2021 in der Fassung EBA/RTS/2020/05 vom 18.06.2020) analog zugrunde zu legen. Dabei sind die dortigen Schwellen und Einstufungen aus Gruppensicht zu prüfen. Hierdurch sind ggf. unterschiedliche Einstufungen hinsichtlich der Bedeutung einzelner Geschäftsbereiche denkbar. Unwesentliche Geschäftsbereiche bzw. nachgelagerte Unternehmen können nicht gänzlich aus der Risikoanalyse herausgenommen werden, d. h. auch deren Mitarbeiter sind in die Analyse sämtlicher Selektionskriterien einzubeziehen.

Risk Taker-Vergütung

Die Risk Taker sind zu Beginn der Bemessungsperiode über die für sie relevanten Vergütungsparameter in Kenntnis zu setzen, um ihr Verhalten danach ausrichten zu können (in jedem Fall im 1. Quartal).

Für eine Beteiligung bei negativen Abweichungen des Erfolgsbeitrags von den vereinbarten Zielen (§ 18 Abs. 5 InstitutsVergV) auf das tatsächliche Näheverhältnis des Risk Takers (Kompetenz bzw. Entscheidungsgewalt) zum ausgelösten Schaden (erheblicher Verlust, wesentliche regulatorische Sanktion) abzustellen und inwieweit ihm dieser überhaupt zuzurechnen ist. Schwellenwerte, ab wann ein Verlust erheblich ist, sind zulässig und können u.a. auf die Eigenmittel des Instituts abgestellt werden (z.B. unerwarteter Verlust von mind. 1,0 % des CET 1). Bei mehreren Verlusten ist eine Zusammenrechnung geboten, um Umgehungstatbestände zu verhindern.

Nicht-börsennotierte Institute, die über keine aktienbasierten Instrumente verfügen, können zur Bestimmung der nachhaltigen Wertentwicklung des Instituts neben Kennzahlen aus der Rechnungslegung zusätzlich geeignete Risikokennziffern (z. B. CET1-Quote, Risikotragfähigkeit / Risikodeckungsmasse, Liquiditätskennziffern) heranziehen. Das Verfahren ist festzulegen und kontinuierlich anzuwenden. Etwaige Schwellenwerte sind dabei so zu wählen, dass der Wert des gleichwertigen Instruments auch unter „going concern“-Bedingungen schwankt.

Regulatorik Knowhow bleibt erfolgskritisch

Mit dem vorgelegten Update zur Auslegungshilfe und den anstehenden Novellierungen von KWG und InstitutsVergV geht die Reise für die Vergütungssysteme der Banken weiter!

Die Breite und Tiefe der regulatorischen Anforderungen an die Bonussysteme erfordert einen zeitnahen Knowhow-Transfer für die Praktiker. Bitte finden sie unsere Vorschläge zu geeigneten Schulungsangeboten zu den Neuerungen hier.

Haben Sie Fragen? Vereinbaren Sie einen unverbindlichen Telefontermin mit Werner Klein unter werner.klein@compgovernance.de

Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, Institutsvergütungsverordnung, InstitutsVergV, Vergütungsbeauftragter

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